Im Jahr 2023 haben österreichische Universitäten fast eine Milliarde Euro an Drittmitteln eingenommen - das sind fast 30 Prozent mehr als vor zehn Jahren. Diese Mittel kommen nicht vom Staat, sondern von Projekten, Unternehmen und der EU. Sie finanzieren Labore, Doktoranden, neue Technologien und internationale Kooperationen. Doch wer glaubt, dass man einfach einen Antrag schreibt und das Geld fließt, irrt. Die Einwerbung von Drittmitteln ist heute eine strategische Aufgabe, die Planung, Timing und Netzwerke erfordert. Es geht nicht mehr nur um gute Forschung - es geht darum, sie so zu verkaufen, dass sie andere überzeugt.
Was genau sind Drittmittel und warum sind sie so wichtig?
Drittmittel sind alle Gelder, die eine Universität außerhalb ihres staatlichen Grundbudgets erhält. Das ist nicht nur ein Bonus - es ist ein Überlebensinstrument. Seit dem Universitätsgesetz 2002 wird die Finanzierung von Universitäten in Österreich zunehmend an Leistung gekoppelt. Wer mehr Drittmittel einwirbt, bekommt mehr Spielraum, mehr Personal, mehr Möglichkeiten. Die Universität Wien beispielsweise sieht die Drittmittelquote als direkten Indikator für ihre Wettbewerbsfähigkeit. An der TU Graz oder der MedUni Wien ist Auftragsforschung mit Firmen schon heute eine der wichtigsten Einnahmequellen. Ohne Drittmittel würden viele Projekte gar nicht erst starten.
Die Hauptquellen sind klar verteilt: Knapp 68 Prozent kommen aus öffentlichen Fördertöpfen wie dem FWF (Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung) oder der FFG (Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft). Ein Viertel stammt von Unternehmen - oft in Form von Auftragsforschung. Der Rest kommt aus der Europäischen Union, vor allem aus Horizon Europe, und von privaten Stiftungen. Wer keine Drittmittel einwirbt, verliert nicht nur Geld - er verliert Einfluss, Sichtbarkeit und Zukunftschancen.
Die drei Säulen der erfolgreichen Drittmittelakquise
Es gibt keine einzige Formel, aber drei Säulen, die fast alle erfolgreichen Projekte tragen: Projektqualität, institutionelle Unterstützung und Timing.
Erstens: Das Projekt muss überzeugen. Das bedeutet nicht nur, dass die Forschung gut ist - es muss auch klar sein, warum sie wichtig ist, wer davon profitiert und warum genau Sie der Richtige dafür sind. Ein Antrag für einen FWF-Start-Preis oder einen ERC Grant muss anders geschrieben werden als ein Antrag für eine EU-Kooperation. Die FWF-Anträge sind oft sehr theoretisch orientiert, Horizon Europe verlangt klare gesellschaftliche oder wirtschaftliche Wirkungen. Wer das nicht versteht, scheitert schon bei der ersten Bewertung.
Zweitens: Die Universität muss hinter Ihnen stehen. Viele Forschende denken, sie müssen alles alleine schaffen. Das ist ein Irrtum. Die Universitäten haben heute spezielle Drittmittelbüros, die helfen - aber nur, wenn man sie rechtzeitig einbindet. Die Universität Wien bietet beispielsweise für EU-Anträge über 400.000 Euro professionelles wissenschaftliches Editing an. Die TU Graz unterstützt bei der Suche nach Industriepartnern. Die Alpen-Adria-Universität Klagenfurt hat eine eigene Richtlinie, die klare Prozesse für die Projektverwaltung vorgibt. Nutzen Sie diese Dienste. Sie sind da, um Sie zu entlasten - nicht, um Sie zu kontrollieren.
Drittens: Timing ist alles. Die Fristen für FWF und FFG sind fest, aber die für Horizon Europe kommen oft unerwartet. Die nächste Ausschreibung für einen ERC Consolidator Grant könnte in sechs Monaten starten - und Sie müssen jetzt damit anfangen, das Team zusammenzustellen, die Partner zu kontaktieren und die ersten Daten zu sammeln. Die besten Projekte entstehen nicht im letzten Monat vor der Frist. Sie entstehen, wenn Sie ein Jahr im Voraus planen.
Wie Sie Anträge schreiben, die gewinnen
Ein guter Antrag ist wie ein guter Film: Er hat eine klare Handlung, starke Charaktere und ein überzeugendes Ende. Die meisten Anträge scheitern nicht an der Wissenschaft - sie scheitern an der Präsentation.
Beginnen Sie mit einer klaren Fragestellung. Nicht: „Ich möchte Forschung über Klimawandel machen.“ Sondern: „Wie beeinflusst die Erwärmung der Alpengletscher die Trinkwasserversorgung in der Steiermark bis 2040?“ Diese Frage ist konkret, messbar und hat eine klare regionale Relevanz - genau das, was die FFG sucht.
Zeigen Sie, dass Sie bereits etwas erreicht haben. Ein erfolgreicher Antrag braucht Pilotdaten. Selbst wenn es nur zehn Messwerte sind - sie zeigen, dass Ihre Idee funktioniert. Wer noch keine Daten hat, kann mit einem kleinen Anschubprojekt starten, das mit internen Mitteln finanziert wird. Die Universität Salzburg fördert solche Vorprojekte gezielt.
Und dann: Die Teamstruktur. Ein einzelner Wissenschaftler, der einen großen Antrag stellt, wirkt unsicher. Ein Team aus drei bis fünf Personen mit klaren Rollen - einer für Methodik, einer für Datenanalyse, einer für Kommunikation - signalisiert Professionalität. Und wenn Sie einen Industriepartner mit dabei haben, erhöht sich Ihre Chance auf Erfolg deutlich. Unternehmen zahlen nicht für Theorie - sie zahlen für Lösungen.
Wie Universitäten Forschende unterstützen
Es gibt kein Land in Europa, in dem Universitäten so aktiv wie in Österreich versuchen, ihre Wissenschaftler:innen bei der Drittmittelakquise zu unterstützen. Aber viele wissen nicht, wie.
Die Universität Wien hat das Konzept „Freiräume schaffen“ eingeführt: Forschende, die einen großen ERC- oder FWF-SFB-Antrag einreichen, bekommen ihre Lehrverpflichtung reduziert oder bekommen Studienassistent:innen gestellt. Das ist kein Luxus - das ist eine Investition. Ein ERC-Grant bringt oft mehr als fünf Millionen Euro - die Kosten für eine reduzierte Lehre sind winzig dagegen.
An der Kunstuniversität Linz gibt es eine digitale Workflow-Plattform, die alle Schritte vom Antrag bis zur Abrechnung abbildet. Sie sehen, wann was fällig ist, wer was unterschrieben hat, wo der Fehler liegt. Kein mehrfaches Rumreichen von Dokumenten. Kein verlorenes Formular.
Und dann gibt es die finanziellen Anreize. Die Fakultät für Geowissenschaften an der Uni Wien gibt für jeden Antrag, der die zweite Runde erreicht, eine finanzielle Unterstützung für die Projektvorbereitung - unabhängig davon, ob er am Ende angenommen wird. Das ist clever: Es entlastet den Druck und ermutigt dazu, auch große Projekte zu wagen.
Die großen Fallen - und wie Sie sie vermeiden
Die meisten Anträge scheitern nicht am Inhalt - sie scheitern an kleinen, vermeidbaren Fehlern.
- Falsche Zielgruppe: Sie schreiben einen Antrag für den FWF, aber Ihre Forschung hat einen klaren industriellen Nutzen? Dann ist die FFG die richtige Adresse. Der FWF will Grundlagenforschung - die FFG will Anwendungen.
- Zu viel Technik, zu wenig Sinn: Kein Gutachter will eine Liste von Methoden. Er will wissen: Warum ist das wichtig? Wer profitiert? Was ändert sich? Machen Sie es ihm leicht.
- Keine Partner: Ein Antrag ohne Kooperationspartner wirkt isoliert. Selbst wenn Sie alleine forschen, suchen Sie einen Partner - eine andere Uni, ein Museum, eine Stadtverwaltung. Das zeigt: Ihre Arbeit hat einen Kontext.
- Kein Nachhaltigkeitsplan: Was passiert nach dem Projektende? Wer nutzt die Ergebnisse? Wer hält die Daten? Das fragen alle Bewertungsgremien heute - und viele Anträge scheitern, weil diese Frage nicht beantwortet ist.
Und vergessen Sie nicht: Der Antrag ist nicht das Ende. Der Bericht ist der Anfang. Wer seine Projekte gut dokumentiert, erhält später leichter neue Mittel. Die Gutachter lesen Ihre früheren Abschlussberichte - und sie merken, wer zuverlässig ist.
Was kommt als Nächstes?
Die Konkurrenz wird härter. Die EU verteilt immer weniger Geld - aber immer mehr Forschende aus ganz Europa kämpfen um die gleichen Top-Prämien. In Österreich wird die Zahl der Drittmittelprojekte weiter steigen - aber nicht alle werden erfolgreich sein. Wer nur auf die nächste Frist wartet, wird verlieren.
Die Zukunft gehört denjenigen, die systematisch arbeiten: Wer sein Portfolio an Anträgen plant, wer regelmäßig mit Industriepartnern spricht, wer die internen Hilfsangebote nutzt und wer sich nicht scheut, auch mal einen Antrag abzulehnen und neu zu schreiben. Die besten Forscher:innen sind nicht die mit den meisten Publikationen - sie sind die mit den meisten erfolgreichen Anträgen.
Die Drittmittelwelt ist kein Glücksspiel. Sie ist ein System - und wenn Sie es verstehen, können Sie es nutzen. Fangen Sie heute an. Nicht morgen. Nicht nächste Woche. Heute. Suchen Sie das Drittmittelbüro Ihrer Uni auf. Schauen Sie sich die laufenden Ausschreibungen an. Reden Sie mit jemandem, der schon einen Grant gewonnen hat. Und schreiben Sie - auch wenn es nur ein kleiner Antrag ist. Der erste Schritt ist der schwerste. Aber er ist der einzige, der zählt.
Was ist der Unterschied zwischen FWF und FFG?
Der FWF fördert Grundlagenforschung - also wissenschaftliche Fragen, die noch keinen direkten Anwendungsbezug haben. Die FFG hingegen unterstützt angewandte Forschung, besonders Projekte mit Unternehmen oder mit klarem wirtschaftlichem Nutzen. Wenn Sie eine neue Technologie entwickeln, ist die FFG die richtige Adresse. Wenn Sie eine neue Theorie entwickeln, ist es der FWF.
Wie viel Zeit braucht man für einen EU-Antrag?
Ein vollständiger Horizon Europe-Antrag braucht mindestens sechs bis neun Monate Vorbereitung. Das bedeutet: Partner finden, Konsortium aufbauen, Arbeitspakete definieren, Budget planen, Schreibprozesse koordinieren. Wer nur drei Monate Zeit hat, wird scheitern. Die besten Anträge entstehen in einem Team, das sich über Monate hinweg abstimmt.
Kann man auch ohne Promotionsabschluss Drittmittel einwerben?
Ja - aber nur in Ausnahmefällen. Die meisten Förderprogramme verlangen eine Doktorpromotion. Es gibt jedoch spezielle Anreizprogramme für Nachwuchsforschende, wie den FWF-Start-Preis oder ERC Starting Grants, die für Forschende mit bis zu sieben Jahren Postdoc-Erfahrung gedacht sind. Wichtig ist: Sie müssen als Projektleiter:in benannt werden - und das verlangt in der Regel eine feste Anstellung an der Uni.
Was ist ein „Spin-off“ und warum ist das wichtig?
Ein Spin-off ist ein Unternehmen, das aus einer Forschungsarbeit einer Universität hervorgeht - zum Beispiel eine App, ein neues Material oder eine Diagnosemethode. Universitäten wie die TU Graz oder die MedUni Wien unterstützen aktiv bei der Gründung solcher Firmen, weil sie zeigen, dass Forschung Wirkung hat. Und: Spin-offs bringen oft Drittmittel aus der Wirtschaft - und das ist eine der wertvollsten Quellen.
Warum scheitern so viele Anträge bei der ersten Runde?
Weil sie zu allgemein sind. Viele Anträge sagen: „Wir wollen die Umwelt retten.“ Das ist kein Projekt. Ein guter Antrag sagt: „Wir entwickeln eine kostengünstige Sensorik, die Nitratgehalte im Boden in der Oststeiermark in Echtzeit misst - mit Daten, die die Landwirtschaftskammer nutzt.“ Genauigkeit, Konkretheit und Kooperation - das sind die Schlüssel.
1 Kommentare
Günter Rammel
Ich hab letztes Jahr einen FWF-Antrag geschrieben – und zwar ohne Drittmittelbüro. Hat funktioniert, aber ich war am Ende völlig ausgebrannt. Die Unterstützung, die die Uni jetzt bietet, ist ein Segen. Wer das nicht nutzt, ist selbst schuld. Nicht weil man faul ist, sondern weil man denkt, man müsse alles alleine durchziehen. Das ist Mythos. Die Bürokratie ist da, um zu helfen – nicht um zu bremsen.