Was passiert, wenn du deine Umschulung in Österreich abbrichst?
Du hast dich für eine Umschulung entschieden, weil du einen neuen Beruf willst, mehr Sicherheit brauchst oder einfach nicht mehr im alten Job weitermachen kannst. Dann kommt der Tag, an dem du merkst: Es funktioniert nicht. Der Stoff ist zu schwer, du bist krank, die Arbeitszeiten passen nicht, oder du fühlst dich einfach überfordert. Du brichst ab. Und jetzt? Ist das das Ende? Nein. Aber es ist ein Wendepunkt, der gut vorbereitet sein will.
In Österreich gibt es keine automatische zweite Chance. Es gibt aber klare Wege, wenn du sie kennst. Das Arbeitsmarktservice (AMS) ist dein wichtigster Ansprechpartner - aber nicht jeder Abbruch führt automatisch zu einer neuen Förderung. Die Regel ist einfach: Umschulung ist keine Pflichtleistung, sondern eine Förderung, die du dir verdienen musst.
Warum brechen Menschen ihre Umschulung ab?
Die Gründe sind oft menschlich, nicht faul. Laut AMS-Statistiken aus 2025 sind die drei häufigsten Ursachen:
- Überforderung mit dem Lernstoff (37 %)
- Gesundheitliche Probleme - körperlich oder psychisch (28 %)
- Der Beruf passt einfach nicht zu dir (22 %)
Ein Nutzer auf elo-forum.org schreibt: „Ich war in einer Umschulung zur IT-Systemkauffrau, hatte aber keine Vorkenntnisse. Keiner hat mir gesagt, dass ich vorher Grundlagen lernen muss.“ Andere berichten von fehlender Betreuung, unklaren Abläufen oder von Kursen, die online stattfanden, ohne echte Unterstützung. Die Arbeiterkammer Wien hat in einer Umfrage festgestellt: 63 % der Abbrecher fühlten sich bei gesundheitlichen Problemen im Stich gelassen.
Was passiert mit dem Geld, wenn du abbrichst?
Du hast während der Umschulung Geld vom AMS bekommen - das Arbeitslosengeld plus 22 % Zuschlag. Und du hast keine Kurskosten gezahlt. Wenn du abbrichst, muss das AMS prüfen: War es deine Schuld?
Wenn du aus gesundheitlichen Gründen abbrichst - etwa wegen Burnout, Depression oder einer körperlichen Erkrankung - ist das kein selbstverschuldetes Ende. Dann musst du kein Geld zurückzahlen. Das AMS hat 2024 begonnen, diese Fälle humaner zu behandeln. Die Bundesregierung plant sogar, bis Ende 2025 die Rückzahlung bei gesundheitlich bedingten Abbrüchen komplett abzuschaffen.
Wenn du aber einfach aufgegeben hast, weil du den Kurs langweilig fandest, zu oft gefehlt hast oder keine Anstrengung gezeigt hast, dann kann das AMS Schadenersatz verlangen. In Einzelfällen wurden bis zu 872,50 Euro zurückgefordert - besonders, wenn die Umschulung rein online war und keine persönliche Betreuung bot.
Wichtig: Die Frist für Rückzahlungsansprüche beträgt drei Jahre. Du hast also Zeit, dich zu beraten, bevor du dich entscheidest, was du tust.
Wie bekommst du eine neue Förderung?
Es ist möglich, eine zweite Umschulung zu bekommen - aber nicht leicht. Die Chancen hängen vom Grund deines Abbruchs ab.
Fall 1: Gesundheitliche Gründe
Wenn du krank warst, hast du gute Chancen. Die Erfolgsquote für eine neue Umschulung liegt bei 68 %, wenn du dich medizinisch betreuen lässt. Die Pensionsversicherungsanstalt (PVA) oder das Berufliche Bildungs- und Rehabilitationszentrum (BBRZ) können dir helfen, einen passenden Weg zu finden. Dort bekommst du nicht nur einen neuen Berufsvorschlag, sondern auch psychologische und medizinische Begleitung.
Fall 2: Selbstverschuldet abgebrochen
Dann musst du beweisen, dass du es diesmal schaffst. Das AMS verlangt ein Gutachten vom Berufspsychologischen Dienst (BPS). Du wirst befragt: Warum hast du damals abgebrochen? Was hast du dazugelernt? Welcher Beruf passt jetzt wirklich zu dir? Nur wenn der BPS sagt: „Dieser Mensch hat eine echte Chance“, bekommst du einen neuen Bildungsgutschein.
Die Bearbeitungszeit ist länger: Bei selbstverschuldeten Abbrüchen dauert es 14 bis 16 Wochen, bis du eine Antwort hast. Bei gesundheitlichen Gründen sind es nur 6 bis 8 Wochen.
Was ist das Zweitchance-Programm?
Seit Anfang 2024 gibt es eine neue Möglichkeit: das Zweitchance-Programm. Wenn du deine Umschulung in den letzten drei Monaten abgebrochen hast, kannst du kostenlos eine umfassende Berufspsychologische Diagnostik machen lassen - ohne dass du einen Antrag stellen musst. Das AMS lädt dich dazu ein.
Was passiert dabei? Ein Psychologe spricht mit dir, testet deine Stärken, deine Belastbarkeit, deine Interessen. Er schaut, ob du vielleicht nur den falschen Beruf gewählt hast. Und er findet mit dir einen neuen, realistischen Weg.
Die Zahlen sprechen für sich: 65 % der Teilnehmer dieses Programms beginnen innerhalb von sechs Monaten eine neue geförderte Maßnahme. Das ist fast doppelt so viel wie die Durchschnittsquote von 32 %.
Welche Berufe lohnen sich nach einem Abbruch?
Nicht jeder Beruf ist gleich geeignet. Wenn du schon einmal gescheitert bist, brauchst du einen, der:
- klare Strukturen hat
- weniger Theorie, mehr Praxis verlangt
- gute Chancen am Arbeitsmarkt bietet
Die Arbeiterkammer Wien prognostiziert einen starken Bedarf in zwei Bereichen:
- Pflege und Gesundheit - Altenpfleger, Gesundheits- und Krankenpfleger, medizinische Fachangestellte
- IT und Digitalisierung - IT-Systemkauffrau, Fachkraft für Digitalisierung, E-Commerce-Assistent
Warum? Weil diese Berufe nicht nur nachgefragt werden, sondern auch oft mit flexiblen Lernwegen, Teilzeit-Ausbildungen oder betrieblichen Praktika angeboten werden. Die Chancen für Abbrecher sind hier besonders hoch - vorausgesetzt, du hast dich beraten lassen.
Was du jetzt tun musst
Wenn du abgebrochen hast, ist die erste Regel: Nicht allein bleiben.
Gehe nicht einfach zum AMS und sag: „Ich will wieder.“ Das funktioniert nicht. Du brauchst:
- Einen Termin beim Berufspsychologischen Dienst (BPS) - frag beim AMS nach, wie du einen bekommst.
- Deinen schriftlichen Abbruchnachweis - das ist wichtig, egal ob du aus gesundheitlichen oder anderen Gründen abgebrochen bist.
- Einen neuen Bedarfsnachweis - warum brauchst du jetzt einen anderen Beruf? Was hat sich verändert?
- Ein Gespräch mit deiner AMS-Beraterin - nicht mit dem ersten Mitarbeiter, sondern mit derjenigen, die Erfahrung mit Abbrechern hat.
Die Arbeiterkammer sagt es klar: „Die individuelle Begleitung nach einem Abbruch ist der entscheidende Erfolgsfaktor.“ Wer mit intensiver Betreuung startet, hat eine 79 %ige Chance, eine neue Ausbildung zu beginnen - laut Daten des BBRZ.
Was du vermeiden solltest
Vermeide diese drei Fehler - sie haben viele schon zurückgeworfen:
- Nicht beraten lassen - Du denkst, du weißt, was du willst. Aber nach einem Abbruch bist du nicht mehr der gleiche Mensch. Ein Profi sieht, was du nicht siehst.
- Den ersten Berufswunsch nehmen - Wenn du vorher IT gewollt hast und es nicht geklappt hat, dann versuch nicht nochmal IT. Wähle einen Beruf, der zu deinen Stärken passt, nicht zu deiner Vorstellung.
- Warten, bis du dich „wieder gefasst“ hast - Je länger du wartest, desto schwerer wird es. Die meisten, die innerhalb von drei Monaten eine neue Maßnahme starten, schaffen es auch.
Was kommt als Nächstes?
Die Zukunft der Umschulung in Österreich wird besser. Das AMS arbeitet an „Berufskompass 2.0“ - einem digitalen Tool, das dir in Echtzeit zeigt, welche Berufe zu dir passen, basierend auf deinen Fähigkeiten und dem Arbeitsmarkt. Bis 2026 soll die Abbruchquote um 5 bis 7 Prozentpunkte sinken.
Und es gibt noch mehr: Die Bildungsteilzeit erlaubt dir, neben deinem Job oder deiner Familie weiterzubilden - bis zu zwei Jahre lang, auf vier Jahre verteilt. Die Bildungskarenz kannst du für zwei bis zwölf Monate nutzen, wenn du dich komplett aufs Lernen konzentrieren willst.
Du hast einen Abbruch hinter dir. Das ist kein Versagen. Das ist ein Zeichen, dass du etwas anderes brauchst. Und in Österreich gibt es Wege - wenn du sie aktiv suchst. Du bist nicht allein. Es gibt Leute, die genau das durchgemacht haben. Und sie haben es geschafft. Du kannst es auch.
Kann ich nach einem Umschulungsabbruch noch einmal gefördert werden?
Ja, aber nur unter bestimmten Voraussetzungen. Wenn du aus gesundheitlichen Gründen abgebrochen hast, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass du eine neue Förderung bekommst. Bei selbstverschuldeten Abbrüchen musst du ein Gutachten vom Berufspsychologischen Dienst (BPS) vorlegen, das belegt, dass du beim neuen Beruf eine echte Chance hast. Das AMS prüft jeden Fall individuell - es gibt keinen automatischen Rechtsanspruch.
Muss ich Geld zurückzahlen, wenn ich die Umschulung abbreche?
Nur, wenn der Abbruch als selbstverschuldet gilt - also wenn du ohne triftigen Grund aufgegeben hast, zu oft gefehlt hast oder keine Anstrengung gezeigt hast. Bei gesundheitlichen Gründen, familiären Notlagen oder schwerwiegenden persönlichen Problemen musst du nichts zurückzahlen. Die Frist für Rückzahlungsansprüche beträgt drei Jahre. Du hast also Zeit, dich zu beraten, bevor du reagierst.
Was ist das Zweitchance-Programm vom AMS?
Das Zweitchance-Programm ist ein Angebot des AMS für alle, die ihre Umschulung in den letzten drei Monaten abgebrochen haben. Du bekommst kostenlos eine umfassende Berufspsychologische Diagnostik - ohne Antrag, ohne Kosten. Der Psychologe analysiert deine Stärken, deine Belastbarkeit und deine Interessen. Dann zeigt er dir Berufe, die wirklich zu dir passen. 65 % der Teilnehmer starten innerhalb von sechs Monaten eine neue geförderte Maßnahme.
Welche Berufe sind nach einem Abbruch am besten geeignet?
Besonders geeignet sind Berufe mit klaren Strukturen, wenig Theorie und hoher Nachfrage: Pflegeberufe wie Altenpfleger oder Gesundheits- und Krankenpfleger, medizinische Fachangestellte, IT-Systemkauffrau, E-Commerce-Assistenten oder Fachkräfte für Digitalisierung. Diese Berufe bieten oft Teilzeit-Ausbildungen, Praktika oder betriebliche Lernwege - und sie sind schwer zu finden. Die Chancen für Abbrecher sind hier besonders gut.
Wie lange dauert es, bis ich eine neue Umschulung beginnen kann?
Bei nicht selbstverschuldeten Abbrüchen (z. B. gesundheitlich) dauert die Genehmigung meist 6 bis 8 Wochen. Bei selbstverschuldeten Abbrüchen, wo ein BPS-Gutachten nötig ist, kann es 14 bis 16 Wochen dauern. Die durchschnittliche Bearbeitungszeit für einen neuen Förderantrag liegt bei 22 Arbeitstagen. Warte nicht, bis du dich „bereit“ fühlst - starte den Prozess so schnell wie möglich.
2 Kommentare
Erwin Vallespin
Ich hab’s abgebrochen, weil ich jeden Morgen vor dem Bildschirm gezittert hab wie ein Hund im Gewitter. Kein Mensch sagt dir: "Du bist nicht faul, du bist überfordert." Und dann kommst du ins AMS und kriegst nur einen Zettel mit "Bitte füllen Sie Formular 17b aus." Wo bleibt die Menschlichkeit? Ich hab 14 Monate lang jeden Tag um 6 Uhr aufgestanden, weil ich dachte, das ist mein neues Leben. Aber es war nur ein Traum, der nie mein war.
Christian Suter
Es ist von höchster Bedeutung, dass die institutionellen Rahmenbedingungen für berufliche Neuausrichtung nach einem Umschulungsabbruch systematisch evaluiert und standardisiert werden. Die derzeitige Fragmentierung der Zuständigkeiten zwischen AMS, BBRZ und PVA führt zu ineffizienten Prozessen, die den Betroffenen zusätzliche psychische Belastung auferlegen. Eine zentrale Anlaufstelle mit einheitlichen Kriterien wäre ein entscheidender Schritt zur sozialen Gerechtigkeit im Bildungssystem.