Im Jahr 2025 sitzen in vielen österreichischen Klassenzimmern Schüler*innen mit Laptops, doch der digitale Unterricht bleibt oft ein Traum. Obwohl fast alle Lehrkräfte digitale Geräte nutzen, ist nur jeder vierte Lehrer oder jede Lehrerin tatsächlich in mehr als 40 % der Unterrichtszeit digital unterwegs. Der Rest kämpft mit langsamen Internetverbindungen, fehlenden Geräten und einer Überflutung an unkoordinierten Apps. Was wirklich hinter der digitalen Ausstattung in Österreich steckt, zeigt eine klare Wahrheit: Die Technik ist da - aber das System nicht.
Was bedeutet digitale Ausstattung eigentlich?
Digitale Ausstattung ist mehr als nur ein Beamer oder ein Laptop pro Klasse. Es ist das ganze Netzwerk: stabile Internetverbindungen, funktionierende Endgeräte für Schüler und Lehrer, digitale Lernplattformen wie LMS.at oder Eduvidual, passende Software, und vor allem: die pädagogische Bereitschaft, diese Werkzeuge sinnvoll einzusetzen. In Österreich wird das oft auf Technik reduziert. Doch wer glaubt, dass mehr Geräte automatisch besseren Unterricht bringen, irrt. Die Studie des Österreichischen Bundesverlags und der JKU Linz aus Mai 2025 zeigt: 87 % der Lehrkräfte nutzen digitale Tools - aber nur 24 % tun das in mehr als der Hälfte der Unterrichtszeit. Der Rest greift nur sporadisch darauf zurück, weil es nicht einfach ist.Die Infrastruktur bricht zusammen - besonders in Sonderschulen und AHS
Das größte Problem? Das Internet. Fast 40 % der Lehrkräfte nennen instabile oder fehlende Internetverbindungen als Hauptgrund, warum digitale Unterrichtsformen nicht funktionieren. In Sonderschulen ist es sogar jeder zweite Lehrer, der sagt: „Wir haben kaum Netz.“ In AHS liegt der Anteil bei 45 %. Das ist kein technisches Detail - das ist ein Bildungsproblem. Wenn ein Lehrer eine Online-Übung starten will, aber die Verbindung abstürzt, wird der Unterricht zum Warten auf das Netz. Kein Schüler lernt dabei. Keine Lehrkraft kann planen. Und die digitale Kluft wird größer, weil Schulen in ländlichen Gebieten oder mit geringerem Budget am stärksten betroffen sind.Lehrkräfte haben die Kompetenz - aber nicht die Mittel
Ein weiteres Missverständnis: Lehrkräfte sind nicht unqualifiziert. 84 % fühlen sich kompetent, digital zu unterrichten. Doch 87 % sagen gleichzeitig: „Ich habe nicht die nötige Ausstattung.“ Das ist der Kern der Krise. Viele Lehrer*innen nutzen ihre eigenen Laptops, weil die von der Schule bereitgestellten Geräte veraltet, kaputt oder zu wenige sind. 24 % der Lehrkräfte haben kein eigenes digitales Gerät zur Verfügung - und das, obwohl sie täglich damit arbeiten sollen. Die Folge: Überlastung, Frustration und ein Unterricht, der immer wieder zurückfällt auf Papier und Tafel, weil die Technik nicht verlässlich ist.Künstliche Intelligenz: Ein Trend, der schon Realität ist
Interessant: KI ist kein Zukunftsszenario mehr. Mehr als die Hälfte der Lehrkräfte (56 %) nutzt KI bereits - vor allem für die Unterrichtsvorbereitung. Texte schreiben, Aufgaben generieren, Lernmaterialien anpassen. An berufsbildenden Schulen ist die Nutzung noch höher. Ein Drittel der Lehrkräfte an weiterführenden Schulen ermutigt sogar Schüler*innen, KI aktiv zu nutzen - zum Lernen, zum Recherchieren, zum Üben. Das ist ein großer Schritt. Doch es gibt kaum Leitlinien. Kein Lehrplan sagt, wie man KI verantwortungsvoll einsetzt. Keine Schulung erklärt, was Bias in KI-Systemen bedeutet. Kein Gütesiegel garantiert, dass eine App datenschutzkonform ist. Die Nutzung ist also da - aber ohne Rahmen, ohne Sicherheit, ohne Qualitätssicherung.
eEducation Austria: Ein Netzwerk mit Potenzial - aber ohne Durchsetzung
Seit 2011 gibt es eEducation Austria, ein Projekt des Bildungsministeriums, das über 4.000 Schulen umfasst. Über 1.400 davon haben den Expert- oder Expert+-Status erreicht - eine Zertifizierung, die zeigt, dass eine Schule digitalisiert ist. Dafür braucht es ein Digitalisierungskonzept, Schulungen, und die Nutzung von digi.komp-P für Lehrkräfte oder digi.komp12 für Sekundarstufe II. Die diggr+App hilft, Kompetenzen mit Schülern zu entwickeln. Klingt gut? Ist es auch. Aber: Diese Schulen sind die Ausnahme. Die meisten Schulen arbeiten völlig selbstständig. Es gibt keine verpflichtende, flächendeckende Strategie. Jede Schule macht, was sie kann. Die einen haben einen KI-MOOC abgeschlossen, die anderen haben noch nie von digi.komp gehört. Das führt zu einer ungleichen Bildungslandschaft.Digitale Grundbildung: Ein Pflichtfach - aber ohne Ressourcen
Seit 2024/25 ist „Digitale Grundbildung“ ein Pflichtfach für 11- bis 14-Jährige. Das ist ein wichtiger Schritt. Endlich wird digitaler Kompetenzerwerb nicht als „Bonus“ behandelt, sondern als zentrales Lernziel. Doch wo sind die Lehrkräfte, die das unterrichten können? Wo sind die Materialien? Wo ist die Zeit? In vielen Schulen wird das Fach einfach in den regulären Unterricht hineingepackt - ohne zusätzliche Ressourcen, ohne spezielle Ausbildung. Das Pflichtfach ist ein guter Ansatz - aber ohne Investitionen in Lehrkräfte und Materialien bleibt es eine Worthülse.Der internationale Vergleich: Österreich liegt im Mittelfeld - und das ist kein Erfolg
Vergleicht man Österreich mit Ländern wie Finnland, Estland oder Südkorea, wird klar: Wir sind nicht vorne. Diese Länder haben seit Jahren eine klare Strategie: Infrastruktur wird zentral finanziert, Lehrkräfte bekommen kontinuierliche Weiterbildung, und digitale Kompetenzen sind fest im Lehrplan verankert - nicht als Nebensache, sondern als Kern. In Österreich gibt es viele Pilotprojekte, aber keine flächendeckende Umsetzung. Ein KI-Badge für Schulen? Schön. Aber wenn nur 1.400 von über 5.000 Schulen ihn haben, ist das kein System - das ist ein Sammelsurium.Was muss sich ändern? Drei konkrete Schritte
- Stabile Internetverbindungen für alle Schulen - jetzt. Das ist keine Luxusfrage. Es ist eine Bildungsgrundlage. Bundesmittel müssen direkt in die Netzwerkinfrastruktur fließen - besonders in ländliche und sozial benachteiligte Regionen.
- Einheitliche digitale Tools - und keine 20 verschiedene Apps. Lehrkräfte verbringen zu viel Zeit damit, sich in neue Plattformen einzuarbeiten. Österreich braucht eine offizielle, zentrale Plattform mit zertifizierten, datenschutzkonformen Tools - und nur diese dürfen in Schulen verwendet werden.
- Verpflichtende, kontinuierliche Schulungen für Lehrkräfte - mit Zeit und Geld. Kein Workshop im Sommer reicht aus. Lehrkräfte brauchen regelmäßige, praktische Fortbildungen - mit Freistellung, mit Experten vor Ort, mit echter Unterstützung. Und sie brauchen die Zeit, das Gelernte umzusetzen.
Was können Schulen jetzt tun?
Auch ohne zentrale Vorgaben kann jede Schule etwas tun. Wer noch nicht Teil von eEducation Austria ist, kann sich mit einem Letter of Intent 2025/26 verpflichten, einen Digitalisierungsprozess zu starten. Der digi.konzept-Assistent hilft dabei, ein eigenes Konzept zu entwickeln. Die Eduthek des BMBWF bietet kostenlose, qualitativ geprüfte Materialien - auch zu KI. Die diggr+App ermöglicht es, digitale Kompetenzen direkt im Unterricht zu vermitteln. Es gibt keine Entschuldigung mehr, nichts zu tun.Die Zukunft: Selbstlernkompetenz ist der Schlüssel
Langfristig geht es nicht darum, Lehrkräfte zu überfordern mit Technik. Es geht darum, Schüler*innen zu befähigen, selbstständig zu lernen - mit und ohne Lehrer. Wer weiß, wie man KI sinnvoll nutzt, wer versteht, wie Daten funktionieren, wer kritisch mit digitalen Inhalten umgeht - der ist auf die Zukunft vorbereitet. Das ist der echte Gewinn der Digitalisierung. Und das kann nur gelingen, wenn wir aufhören, nur Geräte zu kaufen, und anfangen, Kompetenzen aufzubauen.Wie viele Schulen in Österreich sind digital ausgestattet?
Über 4.000 von rund 5.000 Schulen sind Teil des Netzwerks eEducation Austria. Davon haben mehr als 1.400 den Expert- oder Expert+-Status erreicht, was bedeutet, dass sie ein strukturiertes Digitalisierungskonzept haben, Schulungen durchführen und digitale Kompetenzen systematisch fördern. Das heißt aber nicht, dass alle anderen Schulen komplett unversorgt sind - viele nutzen digitale Tools sporadisch. Doch nur die zertifizierten Schulen haben einen nachhaltigen, pädagogisch fundierten Ansatz.
Warum nutzen Lehrkräfte digitale Medien so selten?
Nicht weil sie nicht können, sondern weil sie nicht können - ohne Unterstützung. Die Hauptgründe sind fehlende stabile Internetverbindungen (39 %), kein Zugang zu digitalen Lehrmaterialien (39 %), zu wenig Endgeräte für Schüler und Lehrer (28 % bzw. 24 %), und fehlende Zeit für die Vorbereitung. Viele Lehrkräfte müssen ihre eigenen Laptops nutzen, weil die Schule keine ausreichenden Geräte bereitstellt. Die Technik ist da - aber das System nicht.
Ist Künstliche Intelligenz im Unterricht erlaubt?
Ja, und sie wird bereits genutzt - von mehr als der Hälfte der Lehrkräfte, vor allem in der Unterrichtsvorbereitung. An berufsbildenden Schulen ist die Nutzung besonders hoch. Ein Drittel der Lehrkräfte an weiterführenden Schulen ermutigt Schüler*innen sogar, KI zu nutzen. Es gibt jedoch keine bundesweiten Regeln, wie KI im Unterricht eingesetzt werden soll. Kein Lehrplan, keine Leitlinien, kein Datenschutzrahmen - das führt zu Unsicherheit. Ein neues KI-Badge von eEducation Austria soll Schulen anregen, das Thema systematisch zu bearbeiten - aber es bleibt freiwillig.
Was ist digi.komp und warum ist es wichtig?
digi.komp ist das offizielle Kompetenzmodell des BMBWF für digitale Bildung. Es gibt verschiedene Versionen: digi.kompP für Lehrkräfte, digi.komp4 für die Primarstufe, digi.komp12 für die Sekundarstufe II. Es beschreibt konkret, welche Fähigkeiten Lehrkräfte und Schüler*innen erwerben sollen - von der Nutzung von Tools bis zur kritischen Bewertung von Informationen. Die diggr+App hilft, diese Kompetenzen im Unterricht zu vermitteln. Ohne dieses Modell wäre digitale Bildung ein Sammelsurium aus zufälligen Apps - mit ihm wird sie systematisch und messbar.
Warum ist die digitale Ausstattung in Sonderschulen besonders schlecht?
Sonderschulen haben oft geringere Budgets, weniger technisches Personal und komplexere pädagogische Anforderungen. 52 % der Lehrkräfte dort nennen instabile Internetverbindungen als Hauptproblem - der höchste Wert aller Schulformen. Oft fehlen nicht nur Geräte, sondern auch spezialisierte Software, die auf individuelle Lernbedürfnisse abgestimmt ist. Die Digitalisierung wird hier nicht als Unterstützung, sondern als zusätzliche Belastung wahrgenommen - weil es keine gezielten Förderprogramme gibt, die auf diese Schulformen zugeschnitten sind.