Praktikum finanzieren im Studium in Deutschland: Vergütung, Mindestlohn und Krankenversicherung 2025

Ein Praktikum im Studium ist oft der entscheidende Schritt, um Berufserfahrung zu sammeln - aber wie bezahlst du es? In Deutschland ist die Finanzierung von Praktika kein einfaches Thema. Viele Studierende glauben, dass sie automatisch den Mindestlohn bekommen, wenn sie arbeiten. Das ist falsch. Und wer denkt, ein unbezahltes Praktikum ist immer okay, liegt oft auch daneben. Die Realität ist komplex: Es gibt Unterschiede zwischen Pflicht- und freiwilligen Praktika, Regeln zur Krankenversicherung, steuerliche Grenzen und Branchenunterschiede, die du kennen musst, um nicht draufzusitzen.

Mindestlohn: Nicht für alle Praktika gilt er

Seit dem 1. Januar 2025 beträgt der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland 12,82 Euro pro Stunde. Das klingt gut - aber es gilt nicht für jedes Praktikum. Wenn dein Praktikum pflichtig ist, also in deiner Studienordnung vorgeschrieben, hast du keinen Anspruch auf Mindestlohn. Das steht klar im Mindestlohngesetz. Viele Unternehmen nutzen das aus: Sie bieten Pflichtpraktika mit nur 300 Euro Aufwandsentschädigung an - und das ist rechtlich erlaubt, auch wenn es kaum zum Leben reicht, besonders in Städten wie Berlin oder München.

Doch wer ein freiwilliges Praktikum macht, der hat andere Rechte. Ab dem ersten Tag, wenn das Praktikum länger als drei Monate dauert, musst du den Mindestlohn bekommen. Das ist kein Bonus, das ist Gesetz. Ein sechsmonatiges freiwilliges Praktikum bei einem großen Unternehmen sollte also mindestens 2.230 Euro brutto im Monat bringen - bei 40 Stunden pro Woche. Wer weniger zahlt, handelt rechtswidrig.

Ein häufiger Trick von Arbeitgebern: Sie nennen ein Praktikum „orientierend“, obwohl du echte Arbeit machst - Projekte bearbeitest, Kundenkontakte führst oder Daten auswertest. Rechtsanwältin Dr. Julia Schmidt sagt klar: „Wenn die Tätigkeit wirtschaftlichen Nutzen bringt, ist es kein Orientierungspraktikum. Dann muss bezahlt werden.“

Pflicht- vs. freiwilliges Praktikum: Die Zahlen sprechen

Die Daten zeigen: Es gibt eine riesige Kluft zwischen Pflicht- und freiwilligen Praktika. Laut Praktikum.info (2025) erhalten Pflichtpraktikant:innen im Durchschnitt 1.021,60 Euro pro Monat. Freiwillige Praktikant:innen hingegen verdienen durchschnittlich 1.506,72 Euro - fast 50 % mehr. Warum? Weil sie oft bei größeren Unternehmen arbeiten, die wissen, dass sie sonst keine guten Kandidaten finden.

Die Branche macht den Unterschied. In Unternehmensberatung, Finanzwesen oder Wirtschaftsprüfung liegen die durchschnittlichen Vergütungen zwischen 600 und 1.300 Euro monatlich - oft sogar höher. In der Medienbranche oder im Tourismus hingegen sind unbezahlte oder schlecht bezahlte Praktika noch immer die Regel. Ein Beispiel: Ein Praktikum bei einem regionalen Radiosender könnte dir 200 Euro geben - und du musst noch selbst für deine Fahrten aufkommen.

Die Größe des Unternehmens zählt auch. Große Firmen mit mehr als 250 Mitarbeitern zahlen durchschnittlich 1.650 Euro pro Monat. Kleine Unternehmen mit unter 50 Mitarbeitern bieten nur 980 Euro. Das ist kein Zufall. Große Firmen haben Personalabteilungen, die wissen, wie man rechtssicher arbeitet. Kleine Firmen oft nicht - oder sie haben einfach kein Geld.

Krankenversicherung: Was du wissen musst

Wenn du ein Praktikum machst, bleibt deine Krankenversicherung nicht einfach wie im Studium. Es gibt klare Grenzen, die du nicht ignorieren darfst.

Wenn du als Student:in über deine Eltern versichert bist, kannst du das bis zu einem monatlichen Einkommen von 556 Euro im Jahr 2025 weiterhin tun. Das ist die sogenannte „Versicherungsfreiheitsgrenze“. Wenn du mehr verdienst - selbst wenn es nur 560 Euro sind - musst du dich selbst versichern. Und das kostet Geld. Die gesetzliche Krankenkasse verlangt dann Beiträge von rund 10,3 % deines Einkommens plus Pflegeversicherung.

Das ist ein häufiger Fehler: Viele Studierende denken, wenn sie weniger als 556 Euro verdienen, seien sie „steuerfrei“ - aber das ist nur für die Krankenversicherung richtig. Für die Steuer gelten andere Regeln. Du kannst im Jahr 2025 bis zu 12.096 Euro steuerfrei verdienen - egal, ob du ein Praktikum machst oder nebenbei jobbst. Aber sobald du über 556 Euro verdienst, verlierst du die Familienversicherung. Und das passiert oft unbemerkt.

Die TK Krankenkasse hat 2025 eine Umfrage gemacht: 62 % der Studierenden wussten nicht, ob sie bei einem Praktikum mit mehr als 450 Euro noch familienversichert bleiben dürfen. Das ist gefährlich. Wer ohne Versicherung arbeitet, zahlt selbst, wenn er krank wird - und das kann schnell tausende Euro kosten.

Vergleich eines bezahlten und unbezahlten Praktikums in unterschiedlichen Arbeitsumgebungen.

Gleitzonenregelung: Weniger Abzüge bei mittlerem Einkommen

Wenn du zwischen 556 und 2.000 Euro im Monat verdienst, gilt die sogenannte Gleitzonenregelung. Das bedeutet: Du zahlst weniger Sozialversicherungsbeiträge als ein Vollzeitbeschäftigter. Die Abzüge werden anteilig reduziert. Das ist besonders für Praktikant:innen mit einem Verdienst von 1.200 bis 1.800 Euro relevant - also für viele, die freiwillige Praktika machen.

Beispiel: Du verdienst 1.500 Euro brutto im Monat. Statt 20 % für Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung zu zahlen, zahlst du nur etwa 12-14 %. Das ist ein spürbarer Unterschied. Aber Achtung: Diese Regelung gilt nur, wenn du kein Minijobverhältnis hast. Bei Minijobs (bis 556 Euro) zahlt der Arbeitgeber pauschal 13 % - du bleibst versicherungsfrei. Aber bei 600 Euro verdienst du bereits in der Gleitzone - und musst dich selbst versichern.

Steuerfreie Grenze: Bis zu 12.096 Euro pro Jahr

Ein wichtiger Tipp: Du darfst im Jahr 2025 bis zu 12.096 Euro aus einem Praktikum verdienen - und das ist steuerfrei. Das steht im Einkommensteuergesetz, § 32 Abs. 4a. Das gilt für alle Einkünfte aus Nebenjobs, Praktika oder Werkstudentenstellen zusammen. Ab 2026 steigt die Grenze auf 12.348 Euro.

Das bedeutet: Wenn du ein sechsmonatiges Praktikum mit 1.800 Euro brutto machst, verdienst du 10.800 Euro - unter der Grenze. Keine Steuer, kein Problem. Du kannst zusätzlich noch einen Nebenjob machen, solange du insgesamt nicht über 12.096 Euro kommst. Viele Studierende wissen das nicht - und zahlen unnötig Steuern, weil sie sich falsch informiert haben.

Ein Student steht an einer Kreuzung mit drei Wegen für verschiedene Praktikumsmodelle.

Was kommt 2026? Neue Regeln auf dem Weg

Die Diskussion um bezahlte Praktika wird härter. Die Ampelkoalition hat im Koalitionsvertrag 2021 vereinbart: Ab 2026 soll es eine Mindestvergütung von 500 Euro pro Monat für alle Pflichtpraktika geben. Das ist ein großer Schritt. Bislang können Unternehmen Pflichtpraktika völlig unbezahlt anbieten - und das wird sich ändern.

Die Gewerkschaft ver.di hat mit der Kampagne „Praktikum Fair Pay“ Druck gemacht: Sie fordert 1.200 Euro Mindestlohn für alle Praktika - egal ob freiwillig oder Pflicht. 142 Hochschulgruppen unterstützen das. Doch es gibt Gegenwind. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW Köln) warnt: „Wenn wir alle Praktika verpflichtend bezahlen, werden 23 % der kleinen Unternehmen keine Plätze mehr anbieten.“

Die Bundesregierung versucht, einen Kompromiss zu finden. Ab 2026 soll es ein Förderprogramm mit 150 Millionen Euro geben - für Studierende, die in unbezahlten Praktika arbeiten. Damit sollen Fahrtkosten, Unterkunft und Materialkosten erstattet werden. Das ist kein Ersatz für Lohn - aber eine Hilfe.

Was du jetzt tun solltest

  • Prüfe, ob dein Praktikum Pflicht ist. Lies deine Studienordnung. Wenn es drinsteht, brauchst du keinen Mindestlohn - aber du kannst verlangen, dass es bezahlt wird.
  • Wenn es freiwillig ist und länger als drei Monate dauert: Fordere Mindestlohn. 12,82 Euro pro Stunde, 40 Stunden/Woche = mindestens 2.230 Euro brutto.
  • Prüfe deine Krankenversicherung. Verdienst du mehr als 556 Euro im Monat? Dann musst du dich selbst versichern - sonst riskierst du hohe Kosten bei Krankheit.
  • Halte deine Einkünfte im Blick. Du darfst bis zu 12.096 Euro im Jahr steuerfrei verdienen. Nutze das - aber nicht übertreiben.
  • Recherchiere die Branche. In IT und Finanzen bekommst du oft mehr. In Kultur, Medien oder Non-Profit oft weniger. Plane dein Praktikum danach - nicht nur nach dem Namen der Firma.

Ein Praktikum ist keine „Freiwilligenarbeit“. Es ist Teil deiner Berufsausbildung. Und du hast das Recht, dafür fair bezahlt zu werden - oder zumindest nicht arm zu werden, nur weil du Erfahrung sammeln willst.

FAQ

Bekomme ich bei einem Pflichtpraktikum überhaupt Geld?

Nein, gesetzlich brauchst du bei einem Pflichtpraktikum kein Geld. Aber viele Unternehmen zahlen trotzdem - besonders größere Firmen. Du kannst auch verlangen, dass dein Studiengang eine angemessene Vergütung fordert. Ab 2026 ist eine Mindestvergütung von 500 Euro pro Monat geplant.

Darf ich bei einem Praktikum noch familienversichert bleiben?

Ja, aber nur, wenn du weniger als 556 Euro pro Monat verdienst. Ab 557 Euro verlierst du die Familienversicherung und musst dich selbst gesetzlich versichern. Das gilt unabhängig davon, ob das Praktikum bezahlt ist oder nicht.

Ist ein Praktikum mit 300 Euro pro Monat legal?

Ja, wenn es ein Pflichtpraktikum ist. Aber es ist nicht fair. Wenn es ein freiwilliges Praktikum ist und länger als drei Monate dauert, ist das illegal - dann muss der Mindestlohn gezahlt werden. Viele Unternehmen nutzen diese Grauzone aus.

Wie viel kann ich im Jahr steuerfrei verdienen?

Im Jahr 2025 darfst du bis zu 12.096 Euro aus Praktika, Nebenjobs oder Werkstudentenstellen steuerfrei verdienen. Das ist eine Gesamtsumme - egal, wie viele Jobs du hast. Ab 2026 steigt diese Grenze auf 12.348 Euro.

Was passiert, wenn ich kein Geld für ein Praktikum habe?

Du kannst dich an deine Hochschule wenden - viele haben Stipendien oder Förderprogramme für Praktika. Ab 2026 gibt es ein neues Bundesprogramm mit 150 Millionen Euro, das Fahrtkosten und Unterkunft erstattet. Nutze auch BAföG: Wenn dein Praktikum deine Studienleistung ist, kannst du es als Praktikumssemester beantragen - dann bekommst du weiter BAföG, auch wenn du kein Geld verdienst.

1 Kommentare

  1. Frank Wöckener

    Frank Wöckener

    Also ich find's einfach lächerlich, dass man für ein Pflichtpraktikum nur 300 Euro kriegt-und das in München?! Ich hab letztes Jahr 800 Euro verdient und war trotzdem pleite. Die Uni sollte zumindest die Fahrtkosten übernehmen, nicht nur die Firma, die sich an der Ausbeutung bereichert.

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