Deutsch als Zweitsprache in Deutschland: Sprachförderung, DaZ-Klassen und Integration

Deutsch zu lernen ist nicht nur eine Schulpflicht für Kinder mit Migrationshintergrund - es ist der Schlüssel zur Teilhabe. In Deutschland sprechen 77 Prozent der Bevölkerung zu Hause ausschließlich Deutsch. Doch fast jeder fünfte Mensch im Land nutzt neben Deutsch noch eine andere Sprache. Türkisch ist die häufigste Fremdsprache im Haushalt, gefolgt von Arabisch, Russisch und Polnisch. Für viele Kinder und Erwachsene ist Deutsch keine Muttersprache, sondern eine, die sie erst lernen müssen. Und genau hier beginnt der Weg zur echten Integration: mit gezielter Sprachförderung.

Was ist DaZ und warum gibt es das?

DaZ steht für Deutsch als Zweitsprache. Es ist kein Zusatzfach, sondern ein systematischer Ansatz, um Menschen, die nicht mit Deutsch aufgewachsen sind, die Sprache so zu vermitteln, dass sie sie im Alltag, in der Schule und im Beruf sicher nutzen können. Das ist kein freiwilliges Angebot - für viele ist es eine Voraussetzung, um Arbeit zu finden, Kinder in der Schule zu begleiten oder Behörden zu verstehen.

Die ersten DaZ-Programme entstanden in den 1970er Jahren, als Deutschland sich langsam als Einwanderungsland verstand. Damals kamen vor allem Gastarbeiter aus der Türkei, Italien und Jugoslawien. Heute kommen Menschen aus Syrien, der Ukraine, Afghanistan und vielen anderen Ländern. Die Sprachförderung hat sich weiterentwickelt - aber die Herausforderungen sind geblieben: Wie macht man Sprache greifbar? Wie vermeidet man, dass Kinder zurückbleiben?

Integrationskurse für Erwachsene: Pflicht, aber nicht immer effektiv

Für viele Erwachsene beginnt die Sprachförderung mit einem Integrationskurs. Der wird vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) finanziert und besteht aus 600 Stunden Sprachunterricht plus 100 Stunden Orientierung. Die Kurse führen bis zum Niveau B1 - das ist der Mindeststandard, um einen Aufenthaltstitel zu verlängern oder die Staatsbürgerschaft zu beantragen.

Im Jahr 2024 legten rund 320.000 Menschen den Deutsch-Test für Zuwanderer ab. 56 Prozent erreichten B1, 32 Prozent A2. Das klingt gut - bis man weiß, was das bedeutet. A2 reicht für den Einkauf, aber nicht für ein Vorstellungsgespräch. B1 ist der Sprung von „Ich verstehe, wenn langsam gesprochen wird“ zu „Ich kann in der Arbeit mitreden“. Doch viele lernen nicht in kleinen Gruppen, sondern in Klassen mit 25 Leuten. Eine ukrainische Geflüchtete beschreibt es so: „Es war wie ein Massenprodukt. Niemand hat auf mich geachtet.“

Und dann gibt es noch die Fachsprache. Ein syrischer Arzt, der 2023 einen Integrationskurs absolvierte, musste danach noch 200 Stunden zusätzlich lernen - nur um medizinische Begriffe zu verstehen. Der Integrationskurs deckt nicht ab, was Berufe brauchen. Das ist ein Systemfehler.

DaZ-Klassen in der Schule: Chancen und Lücken

In der Schule sieht die Lage anders aus - und doch ähnlich. Rund 18 Prozent aller Kinder und Jugendlichen in Deutschland sprechen zu Hause Deutsch und mindestens eine weitere Sprache. Bei Kindern mit Migrationshintergrund sind es fast die Hälfte. Sie kommen in Vorbereitungsklassen, oft mit bis zu 25 Stunden Deutschunterricht pro Woche. Danach wechseln sie in die Regelklasse - aber oft ohne ausreichende Unterstützung.

Studien zeigen: Kinder mit DaZ-Unterricht erreichen durchschnittlich 11,3 Prozentpunkte bessere Deutschnoten als solche ohne. Das ist enorm. Doch die Qualität hängt vom Bundesland ab. In Bayern und Baden-Württemberg gibt es klare Lehrpläne, strukturierte Materialien, speziell ausgebildete Lehrkräfte. In einigen ostdeutschen Regionen fehlt es an Personal. 38 Prozent der ländlichen Schulen haben gar keine DaZ-Lehrkraft.

Die Wartezeit auf einen Platz in einer DaZ-Klasse kann bis zu 14 Wochen betragen - besonders in ländlichen Gebieten. Das ist eine Ewigkeit für ein Kind, das schon im Kindergarten zurückfällt. Und wer hat Zeit, mitzulesen, wenn die Eltern selbst kaum Deutsch sprechen?

Erwachsene in einem Integrationskurs nehmen aktiv am Deutschunterricht teil und notieren sich Vokabeln.

Startchancen und Starke Grundschule: Was funktioniert?

Nicht alles ist schlecht. Das Programm „Startchancen“ des Bundesbildungsministeriums richtet sich gezielt an Grundschulkinder mit Migrationshintergrund. Es gibt zusätzliche Deutschförderung, oft schon im letzten Kindergartenjahr. In 87 Prozent der teilnehmenden Schulen verbesserten sich die Deutschkenntnisse der Kinder nach zwei Jahren deutlich. Das ist kein Zufall - es ist gezielte, frühe Intervention.

Auch „Starke Grundschule“ hilft: Kleine Gruppen, mehr Lehrkräfte, Sprachförderung im Alltag - nicht nur als Fach, sondern als Teil von Mathe, Sachkunde, Kunst. Kinder lernen Deutsch, indem sie etwas tun - nicht indem sie Vokabeln auswendig lernen.

Prof. Dr. Ingrid Gogolin von der Universität Hamburg sagt es klar: „Mehrsprachigkeit ist keine Lücke. Sie ist eine Ressource.“ Ein Kind, das Türkisch und Deutsch spricht, hat zwei Zugänge zur Welt. Die Schule sollte das nutzen - nicht nur korrigieren.

Warum das System noch nicht reicht

Deutschland hat ein komplexes, gut finanziertes System - 1,24 Milliarden Euro wurden 2024 dafür ausgegeben. Doch es ist fragmentiert. Das BAMF kümmert sich um Erwachsene, die Kultusministerkonferenz um Kinder, das Bildungsministerium um Pilotprojekte. Kein System spricht miteinander. Wer in Hamburg einen Integrationskurs macht, hat nicht automatisch einen Platz in einer DaZ-Klasse für sein Kind in München.

Und dann ist da noch die Lehrkraftfrage. Nur 42 Prozent der DaZ-Lehrkräfte haben eine Zusatzqualifikation im Umgang mit traumatisierten Kindern - etwa aus Syrien oder der Ukraine. Wie soll man Sprache lehren, wenn jemand nachts nicht schlafen kann? Wie soll man Vokabeln üben, wenn man Angst hat, dass die Familie zurückgelassen wurde?

Ein weiteres Problem: Das System ist defizitorientiert. Es fragt: „Was kann der Lernende nicht?“ statt: „Was kann er schon?“ Ein Kind, das Arabisch spricht, kennt vielleicht schon komplexe Grammatikstrukturen. Ein Erwachsener aus Vietnam hat vielleicht in seiner Heimat mit Zahlen und Formeln gearbeitet. Doch das wird oft ignoriert.

Eine symbolische Brücke aus mehrsprachigen Blöcken führt zum Deutschpass als Tor zur Integration.

Die Zukunft: Digitalisierung und der Deutschpass

Seit 2023 gibt es Online-Integrationskurse - 37 Prozent der Teilnehmenden nutzen sie. Das „Digitale DaZ-Lernportal“ hat über 1,2 Millionen Konten. Die Nutzer bleiben im Durchschnitt 47 Minuten pro Sitzung. Das ist mehr als in vielen traditionellen Kursen.

Ab 2026 soll der „Deutschpass“ kommen - ein einheitlicher Sprachnachweis, der alle bisherigen Zertifikate ablöst. Das ist gut. Endlich wird es keine Verwirrung mehr geben zwischen BAMF-Test, Goethe-Zertifikat und DaZ-Note.

Und die Regierung will die Dauer bis zum Berufseinstieg um 3,2 Monate verkürzen. Das ist ein klares Signal: Sprache ist kein Nebenprodukt der Integration - sie ist der Motor.

Was bleibt? Ein Fazit ohne Schönfärberei

Deutsch als Zweitsprache ist kein Luxus. Es ist eine Grundvoraussetzung für Teilhabe. Wer Deutsch spricht, hat mehr Chancen - in der Schule, im Job, im Alltag. Die Daten zeigen: Wer einen Integrationskurs macht, hat eine 23,4 Prozent höhere Beschäftigungsquote. Wer in einer DaZ-Klasse war, hat bessere Noten. Wer früh gefördert wird, bleibt nicht zurück.

Aber das System ist ungleich. Es ist zu langsam. Zu wenig individuell. Zu wenig auf die Stärken der Lernenden ausgerichtet. Und es fehlt an Personal - besonders da, wo es am nötigsten wäre.

Die Lösung liegt nicht in mehr Geld - sondern in mehr Verstand. In kleineren Gruppen. In Lehrkräften, die traumatisierte Kinder verstehen. In Kursen, die auch medizinische oder technische Fachbegriffe lehren. In einer Haltung, die Mehrsprachigkeit nicht als Problem, sondern als Chance sieht.

Deutsch zu lernen ist hart. Aber es ist möglich. Und es lohnt sich - für die Einzelnen, für die Schulen, für die ganze Gesellschaft.

Was ist der Unterschied zwischen DaZ und Deutsch als Fremdsprache?

DaZ steht für „Deutsch als Zweitsprache“ und bezieht sich auf Menschen, die in Deutschland leben und Deutsch neben ihrer Muttersprache erlernen - oft im Alltag, in der Schule oder im Beruf. Deutsch als Fremdsprache (DaF) wird dagegen von Menschen gelernt, die in einem anderen Land leben und Deutsch als eine Sprache außerhalb ihres Alltags studieren - etwa für eine Reise, ein Studium oder eine Prüfung. Der Unterschied liegt im Kontext: DaZ ist lebensweltlich verankert, DaF oft schulisch oder zielorientiert.

Wie lange dauert es, bis man B1 in Deutsch erreicht?

Im Durchschnitt brauchen Erwachsene mit keinem Sprachvorkenntnis etwa 10,7 Monate, um das Niveau B1 zu erreichen - vorausgesetzt, sie nehmen regelmäßig an einem Integrationskurs teil. Wer eine Sprache mit ähnlicher Struktur als Muttersprache hat - wie Spanisch oder Italienisch - lernt schneller, oft 2,3 Monate weniger. Sprecher asiatischer Sprachen wie Chinesisch oder Japanisch brauchen länger, weil die Sprachstrukturen und Schriftsysteme sehr unterschiedlich sind.

Warum gibt es so lange Wartezeiten auf DaZ-Klassen?

Die Wartezeiten entstehen durch Personalmangel und ungleiche Verteilung. In Städten gibt es mehr Lehrkräfte, in ländlichen Regionen kaum. Viele Schulen haben keine speziell ausgebildeten DaZ-Lehrkräfte. Außerdem fehlt es an Kapazitäten: Nicht jede Schule kann eine eigene Vorbereitungsklasse einrichten. Die Nachfrage steigt - besonders durch Zuwanderung aus der Ukraine -, aber die Infrastruktur bleibt hinterher.

Kann man Deutsch auch ohne Kurs lernen?

Ja, aber es ist viel schwerer. Wer nur durch Alltagskontakt Deutsch lernt - etwa durch Nachbarn, Kollegen oder Fernsehen - erreicht meist nur A2. Für B1 und höhere Niveaus braucht man strukturiertes Lernen: Grammatik, Vokabeln, Schreiben, Sprechen üben. Ohne Kurs oder Unterricht bleibt man oft auf dem Niveau „verstehen, aber nicht mitreden“. Das reicht nicht für Arbeit, Behörden oder Bildung.

Was ist der Deutschpass 2026?

Der Deutschpass ist ein neuer, einheitlicher Sprachnachweis, der ab 2026 alle bisherigen Zertifikate (wie den Deutsch-Test für Zuwanderer, Goethe-Zertifikat, Telc etc.) ablösen soll. Er soll klar machen: Wer diesen Pass hat, hat ein festgelegtes Niveau erreicht - egal, wo er ihn gemacht hat. Ziel ist es, Verwirrung zu vermeiden und den Übergang von Schule zu Beruf zu erleichtern. Der Pass wird in der Schule, in Integrationskursen und über digitale Plattformen erworben werden können.