Psychische Belastungen während Corona - Wie Schulpsychologie effektiv unterstützt

Schulpsychologie-Ratios-Rechner

Dieser Rechner hilft Ihnen, die erforderliche Zahl an Schulpsycholog*innen für Ihre Schule zu berechnen. Nutzen Sie die WHO-Empfehlung von 1:1.000 Schüler*innen und vergleichen Sie mit den aktuellen Daten aus der COPSY-Studie.

Die COVID‑19‑Pandemie hat die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen stark belastet. Plötzliche Schulschließungen, fehlender Kontakt zu Gleichaltrigen und anhaltende Unsicherheit haben zu einem deutlichen Anstieg von Angst, Depression und psychosomatischen Beschwerden geführt. Wer sich fragt, welche Rolle die Schulpsychologie dabei spielt, findet hier eine praxisnahe Übersicht: welche Belastungen auftreten, welche Daten die Forschung liefert und welche konkreten Maßnahmen Schulen ergreifen können.

1. Welche psychischen Belastungen zeigen sich bei Schülerinnen und Schülern?

Mehrere groß angelegte Studien belegen den Anstieg psychischer Symptome:

  • Depressive Symptome: 22,5 % der 11‑ bis 17‑Jährigen im Frühjahr 2021 (COPSY‑Studie) versus 12,9 % vor der Pandemie (KiGGS‑Welle 2).
  • Angstzustände: Mädchen sind mit 27,3 % stärker betroffen als Jungen (17,4 %).
  • Psychosomatische Beschwerden - vor allem Kopf‑ und Bauchschmerzen, Schlafstörungen und Konzentrationsprobleme.
  • Schulabsentismus: im Schuljahr 2020/21 um 28 % höher als im Vorjahr (BMFSFJ‑Antwort 23.12.2020).

Jugendliche aus bildungsfernen Familien melden psychische Belastungen fast doppelt so häufig wie ihre Altersgenossen aus akademischen Haushalten.

2. Warum ist die Schule gleichzeitig Stress‑ und Schutzfaktor?

Schulen bieten einerseits Struktur, soziale Interaktion und Zugang zu Unterstützungsangeboten - Faktoren, die Resilienz fördern. Auf der anderen Seite können schulische Leistungsdruck, fehlende Ressourcen und unzureichende Ansprechpartner die Krise verstärken. Die UNESCO betont, dass Schulen „sowohl Auslöser als auch Verstärker von psychischen Beeinträchtigungen sein können, aber gleichzeitig durch stabile Alltagsroutinen und positive Beziehungen Schutz bieten“.

3. Schulpsychologie - Definition und zentrale Aufgaben

Schulpsychologie ist ein interdisziplinäres Feld, das psychologische Fachkompetenz in den Schulalltag einbringt, um Lern‑ und Entwicklungsprozesse zu unterstützen und psychische Krisen zu bewältigen. Sie umfasst Beratung von Schülerinnen und Schülern, Begleitung von Lehrkräften, Koordination mit Eltern und externe Fachstellen.

Die Kernaufgaben im Pandemie‑Kontext lassen sich in vier Bereiche zusammenfassen:

  1. Frühzeitige Erkennung von Stress‑ und Belastungszeichen (z. B. durch systematische Befragungen).
  2. Einzel‑ und Gruppeninterventionen (z. B. Stress‑Workshops, Atemübungen).
  3. Beratung von Lehrkräften zu Klassenmanagement und digitaler Didaktik.
  4. Vernetzung mit Jugendämtern, Kinder‑ und Jugendpsychiatrie und Therapie‑Anbietern.
Schulpsychologin leitet eine Atemübung mit einer Gruppe von Schüler*innen im hellen Klassenraum.

4. Datenlage: Die COPSY‑Studie im Überblick

Die COPSY‑Studie (Universität Bielefeld & Robert Koch‑Institut) ist das maßgebliche Längsschnittprojekt zur psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Wichtige Befunde:

  • 31,7 % Anstieg klinisch relevanter Fälle (Petermann, 28. Jun 2022).
  • 44,3 % der befragten Jugendlichen berichten eine Verschlechterung ihrer psychischen Gesundheit während der Pandemie (COPSY‑Phase 2, Apr 2021).
  • Schulen mit mindestens einem Tag wöchentlicher Schulpsycholog*innen‑Betreuung zeigen 37 % weniger Zunahme psychischer Belastungen (COPY‑Phase 3, Okt 2021).

5. Aktuelle Versorgungsdefizite

Der Deutsche Berufsverband der Schulpsychologinnen und Schulpsychologen (DBS) weist auf gravierende Personalknappheit hin: im Schnitt 1 Fachkraft pro 9 830 Schüler*innen - deutlich schlechter als in den Niederlanden (1:1 500) oder Finnland (1:800). Die WHO empfiehlt ein Verhältnis von 1:1 000, das bislang in keinem Bundesland erreicht wird.

Finanzielle Unterschiede verstärken das Problem: Bayern investiert 1,23 € pro Schüler*in, Berlin 2,87 € (BMF‑Antwort 23.12.2020). Ohne zusätzliche Mittel prognostiziert die OECD einen weiteren Anstieg psychischer Belastungen um 15‑20 % bis 2025.

6. Praxisbeispiele: Wie Schulen die Schulpsychologie einsetzen

Seit März 2020 haben viele Beratungszentren digitale Formate etabliert. Laut DBS‑Umfrage (12. Mai 2022) nutzen 92 % der Schulpsycholog*innen zumindest teilweise Online‑Beratung.

Ein erfolgreicher Ansatz ist das ProWell‑Programm der Universität Bielefeld. Es besteht aus einem 8‑wöchigen Online‑Kurs für Lehrkräfte (90 Min Live‑Sessions pro Woche). Evaluationsergebnisse (15. März 2022): 78 % der Teilnehmenden fühlen sich besser gerüstet, 85 % bewerten das Training als praxisnah.

Ein weiteres Beispiel: In einer Schule in Nordrhein‑Westfalen wurden wöchentliche Sprechstunden von Schulpsycholog*innen eingeführt (1 Stunde pro Woche). Die Betroffenen berichteten über eine 30 % Reduktion von Angst‑ und Depressionssymptomen innerhalb von drei Monaten.

Bunte Schulszene mit lächelnden Schüler*innen und einer Schulpsychologin, die gemeinsam nach vorne schauen.

7. Vergleich der Betreuungsschlüssel in Europa

Betreuungsschlüssel von Schulpsycholog*innen im europäischen Vergleich
Land Schüler*innen pro Schulpsycholog*in Empfohlener Schlüssel (WHO) Bemerkungen
Deutschland ≈ 9 830 1 000 Stark variierende Finanzierung, großer Fachkräftemangel
Niederlande ≈ 1 500 1 000 Bundesweite Vorgaben, bessere Ausbildungskapazitäten
Finnland ≈ 800 1 000 Hohes Ansehen schulpsychologischer Arbeit, staatliche Unterstützung

Die Tabelle zeigt, dass Deutschland deutlich hinter den Nachbarn zurückliegt - ein klares Signal für Handlungsbedarf.

8. Handlungsempfehlungen für Schulen und Politik

Auf Basis der vorliegenden Daten lassen sich vier prioritäre Maßnahmen ableiten:

  1. Personalaufstockung: Ziel 1 : 1 000 bis 2025 (DBS‑Positionspapier).
  2. Finanzielle Angleichung: Mindestens 2 € pro Schüler*in jährlich, um digitale Beratungsangebote zu sichern.
  3. Integration von Präventionsprogrammen: Skalierbare Modelle wie ProWell flächendeckend einführen.
  4. Vernetzung stärken: Regelmäßige Koordination zwischen Schulen, Jugendämtern und externen Therapeuten (UNESCO‑Leitlinie).

Die Bundesregierung hat bereits mit dem Förderprogramm „Gemeinsam Stark“ (250 Mio € bis 2024) einen ersten Schritt gesetzt. Für nachhaltige Wirksamkeit muss das Geld jedoch gezielt in Personal und Fortbildung fließen.

9. Ausblick - Was kommt nach Corona?

Die COPSY‑Studie plant bis Ende 2023 Langzeitdaten, die Aufschluss über post‑pandemische Entwicklungen geben. Parallel arbeiten Forschungsteams an einer erweiterten ProWell‑Version, die Eltern und Schüler*innen stärker einbezieht. Entscheidend bleibt: Schulen müssen langfristig als zentrale Anlaufstelle für psychische Gesundheit verankert werden, nicht nur als Notfall‑Lösung während Krisen.

Wie erkenne ich Anzeichen von psychischer Belastung bei Schülerinnen und Schülern?

Achten Sie auf häufige Schlafstörungen, anhaltende Konzentrationsprobleme, plötzliche Stimmungsschwankungen und körperliche Beschwerden wie Kopf‑ oder Bauchschmerzen ohne klare medizinische Ursache. Standardisierte Kurzfragebögen, die von Schulpsycholog*innen bereitgestellt werden, helfen ebenfalls beim frühen Screening.

Welche Sofortmaßnahmen können Lehrkräfte ergreifen?

Kurzgespräche anbieten, klare Tagesstrukturen schaffen, Entspannungsübungen in den Unterricht integrieren und bei Bedarf die Schulpsycholog*in einschalten. Das ProWell‑Training liefert konkrete Methoden, die sofort umsetzbar sind.

Wie kann die digitale Beratung effektiv gestaltet werden?

Nutzen Sie gesicherte Plattformen (z. B. über das schulische Intranet), bieten Sie kurze 15‑Min‑Slots für erste Gespräche an und garantieren Vertraulichkeit. Eine Weiterleitung zu Präsenz‑Therapien sollte bei schweren Fällen erfolgen.

Welche Finanzierungsmöglichkeiten gibt es für zusätzliche Schulpsychologen?

Neben dem Bundesprogramm „Gemeinsam Stark“ können Länder eigene Förderlinien beantragen. Auch EU‑Förderungen für Bildungs‑ und Gesundheitsprojekte sowie Projektpartnerschaften mit Universitäten sind praktikabel.

Was sind die langfristigen Risiken, wenn nichts unternommen wird?

Studien wie die OECD‑Prognose (2022) zeigen, dass unbehandelte psychische Belastungen zu schlechteren Bildungsergebnissen, höherer Drop‑out‑Rate und langfristig erhöhten Gesundheitskosten führen. Der gesellschaftliche Schaden wäre erheblich.

5 Kommentare

  1. Maximilian Erdmann

    Maximilian Erdmann

    Also, das ganze Covid‑Drama war ja echt ein bunter Zirkus 🎪, und die Schulpsycholog*innen wurden plötzlich zur Notfall‑Helden. Ich meine, man kann ja nicht erwarten, dass jedes Kind plötzlich einen Therapie‑Coach im Rucksack hat, ne? Trotzdem, ein bisschen mehr Struktur könnte nicht schaden, sonst geht der ganze Kram weiter im Kreis. 😅

  2. Rolf Jahn

    Rolf Jahn

    Oh wow, endlich ein bisschen Wissenschaft im Schulalltag – das hat ja noch nie geklappt, oder?

  3. Kristian Risteski

    Kristian Risteski

    Also ich hab mir das ganze Ding ja mal ganz locker angeguckt.
    Die Zahlen aus der COPSY‑Studie klingen zwar schockierend, aber man muss sich fragen, warum das ganze System so empfindlich reagiert.
    Vielleicht liegt das daran, dass wir in der Schule zu sehr auf reines Faktenwissen setzen und zu wenig Raum für Gefühle lassen.
    Kinder brauchen nichts anderes als ein offenes Ohr und ein bisschen Rhythmus im Alltag.
    Wenn man dann noch digitale Beratung einbaut, kann man sogar die Angst vor dem Klassenraum verringern.
    Ich find’s faszinierend, dass manche Schulen komplett auf Online‑Workshops setzen und damit Erfolge sehen.
    Aber das ist natürlich nur die halbe Wahrheit, weil nicht alle Eltern haben das nötige technische Setup.
    Deswegen muss die Politik härter nachhaken und für Gleichberechtigung sorgen.
    Ein weiterer Punkt ist, dass wir die psychische Gesundheit nicht nur als Krisen‑Thema sehen, sondern als permanente Aufgabe.
    Schulen sollten deshalb dauerhaft Psychologen einstellen, nicht nur temporär während einer Pandemie.
    Wenn das nicht passiert, wird das Ganze irgendwann wieder in die alten Muster zurückfallen.
    Und ich glaube, dass wir als Gesellschaft insgesamt mehr Empathie entwickeln müssen.
    Das heißt, Lehrer sollten nicht nur Fachwissen vermitteln, sondern auch Sozialkompetenzen trainieren.
    Eine mögliche Lösung könnte ein verpflichtendes Präventionsmodul sein, das jedes Schuljahr wiederholt wird.
    Damit könnten die Kids lernen, Stress zu erkennen und selber Strategien zu entwickeln.
    Am Ende geht es darum, dass wir Kinder nicht nur für Prüfungen, sondern für das Leben vorbereiten.

  4. Günter Rammel

    Günter Rammel

    Die Daten zeigen deutlich, dass wir dringend mehr Schulpsycholog*innen brauchen. Deshalb empfehle ich, sofort die Personalquoten zu erhöhen – das ist kein Wunsch, sondern ein Muss. Gleichzeitig sollten Schulen regelmäßige Stress‑Workshops für Lehrkräfte einführen, damit sie die Signale früh erkennen. Eine enge Kooperation mit Jugendämtern kann zudem die Weiterleitung zu Fachtherapeuten beschleunigen. Kurz gesagt: mehr Personal, mehr Fortbildung und mehr Vernetzung – das ist der Weg nach vorn.

  5. Thomas Lüdtke

    Thomas Lüdtke

    Wieder so ein endloser Text über Zahlen und Tabellen 😒, aber am Ende bleibt doch alles beim Alten… 🤷‍♂️

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