Lehrerbildung an Universitäten vs. Pädagogischen Hochschulen in Österreich: Was wirklich zählt

Wenn du in Österreich Lehrer:in werden willst, stehst du vor einer grundlegenden Entscheidung: Gehst du an eine Pädagogische Hochschule (PH) oder an eine Universität? Beide Wege führen zum Lehrerberuf - aber sie führen dich auf ganz unterschiedliche Weise dorthin. Und das macht einen riesigen Unterschied für deinen Alltag als Studierende:r und später als Lehrkraft.

Wer macht was? Die klare Aufgabenteilung

Seit 2013 gilt in Österreich ein klares Modell: Die Pädagogischen Hochschulen sind für die pädagogisch-didaktische Ausbildung zuständig. Die Universitäten übernehmen den fachwissenschaftlichen Teil. Das klingt einfach - aber was heißt das konkret für dich?

Für die Primarstufe (Volksschule) gibt es nur einen Weg: Die PH. Dort lernst du, wie du Kinder im Alter von sechs bis zehn Jahren unterrichtest - mit Methoden, die auf Entwicklung, Motivation und individuelle Förderung ausgerichtet sind. Du machst Praktika in echten Klassen, analysierst Lernverhalten, planst Unterrichtsstunden mit Lehrer:innen vor Ort. Es ist praxisnah, strukturiert und intensiv betreut.

Für die Sekundarstufe (Mittelschule, Gymnasium, Berufsschule) arbeiten PH und Uni zusammen. Du studierst an der Universität dein Fach - etwa Mathematik, Biologie oder Geschichte - mit allen wissenschaftlichen Tiefen, Forschungsansätzen und Theorien. Parallel dazu besuchst du an der PH die pädagogischen Module: Wie bringst du komplexe Inhalte 14-Jährigen bei? Wie gehst du mit Lernschwierigkeiten um? Wie baust du eine Klassengemeinschaft auf?

Diese Aufteilung ist kein Zufall. Sie wurde bewusst so gestaltet, um zwei Säulen des Lehrerberufs zu stärken: fundiertes Fachwissen und echte pädagogische Kompetenz. Keine der beiden Seiten kann allein funktionieren.

Unterschiede im Alltag: Kleine Gruppen vs. große Hörsäle

Stell dir vor, du sitzt in einer Vorlesung mit 300 Studierenden. Der Professor liest von der Folie, du hast keine Chance, eine Frage zu stellen. Das ist typisch für viele universitäre Veranstaltungen im Lehramtsbereich. Die Betreuungsrelation liegt bei 1:28 - das bedeutet: Ein:e Professor:in hat fast 30 Studierende auf dem Schirm. Selbst wenn du dich anstrengst, wirst du leicht übersehen.

An einer PH ist das anders. Hier lernst du in Gruppen von 15 bis 20 Personen. Du sprichst mit deinen Dozent:innen, bekommst direktes Feedback, hast Zeit, deine Unterrichtsentwürfe zu besprechen. Die PH Tirol hat im Studienjahr 2011/12 über 1.700 Lehrveranstaltungen angeboten - fast 25 % mehr als noch zuvor. Das zeigt: Hier wird viel unterrichtet. Und zwar mit viel persönlicher Betreuung.

Die Folge? Die Abbrecherquote ist an PHs niedriger: 18,5 % im Vergleich zu 22,3 % an Universitäten. Warum? Weil du nicht allein mit deinen Zweifeln gelassen wirst. Du hast Ansprechpartner:innen, die wissen, wie du dich fühlst - weil sie selbst Lehrer:innen waren.

Praxis oder Theorie? Was du wirklich lernst

Ein Studierender an einer PH verbringt deutlich mehr Zeit mit praktischen Elementen. In der Ausbildung für die Primarstufe sind Praktika nicht nur ein Teil des Studiums - sie sind der Kern. Du gehst in die Schule, beobachtest, hilfst mit, leitest Unterricht, sprichst mit Eltern. Du lernst, wie man mit einem Kind umgeht, das sich nicht konzentrieren kann - nicht aus einem Buch, sondern aus der Realität.

An der Universität lernst du, wie Bildungstheorien funktionieren - Piaget, Vygotsky, Dewey. Du analysierst Forschungsarbeiten, schreibst wissenschaftliche Hausarbeiten. Das ist wertvoll. Aber es bleibt oft abstrakt. 75 % der Universitätsstudierenden sagen in Umfragen, dass sie die geringe Praxisnähe als Nachteil empfinden. Sie wissen viel über Lernen - aber nicht immer, wie man es in der Klasse umsetzt.

Umgekehrt kritisieren 68 % der PH-Studierenden, dass sie weniger interdisziplinäre Möglichkeiten haben. An der Uni kannst du neben deinem Fach noch Philosophie, Soziologie oder Psychologie belegen. An der PH ist der Studienplan eng gefasst - gut für Fokus, schlecht für Breite. Wenn du dich für Bildungsforschung oder interkulturelle Pädagogik interessierst, bist du an der Uni besser aufgehoben.

Kontrast zwischen großen Universitätsvorlesungen und persönlichen PH-Seminaren bei der Lehrerausbildung in Österreich.

Organisation: Wer bestimmt, wie du lernst?

Universitäten sind autonom. Sie entscheiden selbst, welche Forschung sie betreiben, welche Lehrveranstaltungen sie anbieten, wie sie Studierende aufnehmen. Sie haben ihre eigenen Strukturen, ihre eigenen Budgets, ihre eigenen Professoren.

PHs sind Dienststellen des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung. Das bedeutet: Sie folgen Vorgaben. Die Anzahl der Absolvent:innen soll bis 2030 von 2.600 auf bis zu 5.400 pro Jahr steigen - weil 5.500 neue Lehrer:innen jährlich gebraucht werden. Die PHs müssen diesen Bedarf decken. Das macht sie effizient - aber auch anfällig für politische Einflüsse.

Ein Beispiel: Die Reform von 2024 verkürzt das Bachelorstudium von vier auf drei Jahre. Das BMBWF sagt: Das beschleunigt den Berufseinstieg. Gewerkschaften warnen: Die Qualität leidet. An einer PH musst du dich an diese Vorgaben halten - an der Uni hast du mehr Spielraum, dich zu wehren.

Was kommt nach dem Abschluss?

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: 92 % der PH-Absolvent:innen finden innerhalb von sechs Monaten eine Stelle in der Schule. Bei Universitätsabsolvent:innen sind es nur 85 %. Warum? Weil Schulen wissen: Wer an einer PH ausgebildet wurde, ist sofort einsatzfähig. Du hast schon Unterricht gestaltet, Klassen geführt, mit Kolleg:innen zusammengearbeitet. Du bist kein Theoretiker, der zum ersten Mal vor einer Klasse steht - du bist eine Lehrkraft, die bereit ist.

Doch das heißt nicht, dass Universitätsabsolvent:innen schlechter sind. Viele sind hervorragende Fachlehrer:innen - besonders in Naturwissenschaften oder Sprachen. Aber sie brauchen oft mehr Zeit, um sich im Schulalltag zurechtzufinden. Und das kostet Geld - und Nerven.

Absolventin steht an einem Wegweiser zwischen Praxis und Wissenschaft bei der Lehrerbildung in Österreich.

Die Zukunft: Wer gewinnt?

Es gibt Stimmen, die sagen: Alles an die PHs. Dr. Maria Honsig-Erlenburg von der PH Tirol argumentiert, dass PHs praxisnäher, flexibler und besser auf die Bedürfnisse der Schulen eingestellt sind. Andere, wie Prof. Andreas Helmke, warnen: Ohne wissenschaftliche Tiefe wird die Lehrerbildung zur bloßen Handwerksausbildung. Beide haben recht.

Die Realität ist: Beide Systeme brauchen einander. Die PH braucht die Universität, um wissenschaftlich fundiert zu bleiben. Die Universität braucht die PH, um nicht in der Theorie zu verharren. Die Zukunft liegt nicht in der Abschaffung eines Systems - sondern in der stärkeren Vernetzung.

Die neuen Ausbildungsverbünde - wie der Süd-Ost-Verbund mit Burgenland, Steiermark und Kärnten - sind ein Schritt in die richtige Richtung. Sie verbinden PH und Uni enger, ermöglichen gemeinsame Projekte, gemeinsame Prüfungen, gemeinsame Forschung. Das ist der Weg, der funktioniert.

Was solltest du wählen?

Wenn du:

  • Früh praktische Erfahrung willst
  • kleine Gruppen und persönliche Betreuung schätzt
  • in der Primarstufe arbeiten willst
  • klare Strukturen und einen direkten Weg in den Beruf brauchst

dann ist die Pädagogische Hochschule deine erste Wahl.

Wenn du:

  • tiefer in dein Fach eintauchen willst
  • interdisziplinär denken und forschen willst
  • später vielleicht auch promovieren willst
  • in der Sekundarstufe unterrichten willst und dich für Theorie begeisterst

dann ist die Universität der richtige Ort für dich.

Es gibt keinen falschen Weg. Aber es gibt einen, der besser zu dir passt. Frag dich: Willst du Lehrer:in werden - oder willst du Wissenschaftler:in, der auch unterrichtet? Die Antwort darauf entscheidet, wo du deine Zeit investierst.

Kann ich nach einem PH-Studium an die Uni wechseln?

Ja, das ist möglich - aber nicht ohne Einschränkungen. Wenn du an einer PH den Bachelor in Lehramt Primarstufe abgeschlossen hast, kannst du einen Master an einer Universität machen - etwa in Bildungsforschung oder Sonderpädagogik. Du bekommst aber nicht automatisch alle fachwissenschaftlichen Leistungen anerkannt, die du für ein Lehramt Sekundarstufe brauchst. Du müsstest oft zusätzliche Module nachholen. Ein Wechsel vom PH- in den universitären Bereich ist also kein einfacher Spaziergang - aber machbar, wenn du gezielt planst.

Ist ein PH-Abschluss weniger wert als ein Universitätsabschluss?

Nein. In Österreich haben beide Abschlüsse dieselbe rechtliche Anerkennung. Du kannst mit einem PH-Bachelor und Master genauso als Lehrer:in an einer Mittelschule oder Gymnasium angestellt werden wie mit einem universitären Abschluss. Der Unterschied liegt nicht im Wert des Abschlusses, sondern in der Ausrichtung: PH-Absolvent:innen sind auf den Schulalltag vorbereitet, Universitätsabsolvent:innen auf wissenschaftliche Tiefe. Schulen suchen je nach Bedarf - und oft bevorzugen sie PH-Absolvent:innen, weil sie schneller einsatzbereit sind.

Warum gibt es so viele PHs, aber nur wenige Universitäten für Lehramt?

Weil die PHs spezialisiert sind. Es gibt 14 PHs in Österreich - eine pro Region -, um die Ausbildung regional abzudecken. Universitäten hingegen sind zentralisiert: Nur einige, wie Wien, Graz, Salzburg oder Innsbruck, bieten die fachwissenschaftlichen Module für Lehramt an. Das liegt an den Kosten: Ein universitäres Fach wie Physik oder Latein braucht teure Labore, Bibliotheken, hochqualifizierte Forscher:innen. Diese Infrastruktur gibt es nur an wenigen Orten. Die PHs konzentrieren sich auf das, was sie am besten können: Pädagogik und Praxis - und das können sie dezentral, effizient und nah an den Schulen tun.

Welche PH ist die beste für Lehramt?

Es gibt keine „beste“ PH - nur die, die am besten zu dir passt. Die PH Wien hat mit über 5.000 Studierenden die größte Ausbildungsgröße und viele Kooperationen mit Wiener Schulen. Die PH Tirol ist bekannt für ihre intensive Praxisbegleitung. Die PH Steiermark hat starke Schwerpunkte in Inklusion und digitale Bildung. Entscheide dich nicht nach Ranglisten, sondern nach deinem Lebensort, deinem Fachinteresse und deinem Lernstil. Besuche offen Tage, sprich mit Studierenden, schau dir die Praktikumsangebote an - das ist der beste Weg, um zu wissen, wo du gut aufgehoben bist.

Kann ich an einer PH auch promovieren?

Nein, nicht direkt. PHs können keine Doktoranden aufnehmen - das ist nur Universitäten vorbehalten. Aber du kannst nach deinem Master an der PH einen Doktortitel an einer Universität anstreben. Viele PH-Absolvent:innen machen später eine Promotion in Bildungswissenschaften, etwa an der Universität Wien oder Graz. Du brauchst dann oft einen zusätzlichen Forschungsabschnitt oder ein spezielles Promotionsprogramm. Es ist kein Umweg - sondern ein natürlicher Weitergang für die, die sich für Forschung interessieren.