Wenn du in Österreich Kunst studieren willst, dann hast du sechs staatliche Kunstuniversitäten zur Auswahl - jede mit eigener Geschichte, Stärke und Atmosphäre. Keine ist wie die andere. Keine ist einfach nur eine Hochschule. Sie sind Lebensräume, Werkstätten, Laboratorien für künstlerische Experimente. Und sie sind fast kostenlos - zumindest für EU-Bürger:innen. Nur 15,50 Euro Semesterbeitrag. Das ist kein Zufall. Österreich hat eine lange Tradition, Kunst nicht als Luxus, sondern als zentrales Element der Gesellschaft zu sehen.
Die sechs Kunstuniversitäten und was sie wirklich lehren
Die Akademie der bildenden Künste Wien ist die älteste. Gegründet 1688, ist sie ein Ort, an dem Malerei, Grafik und Skulptur noch immer mit traditionellen Techniken gelehrt werden. Hier lernst du, mit Ölfarbe und Kohle zu arbeiten - aber auch, wie du digitale Medien in deine Arbeit einbindest. 2023 startete die Akademie das „KI Care Cafè“, um über Künstliche Intelligenz im Kunstprozess zu diskutieren. Kein Trend, sondern Notwendigkeit: 65 % der künstlerischen Berufe verlangen bis 2025 digitale Kompetenzen. Die Akademie gilt als europäischer Vorreiter bei der Auseinandersetzung mit postkolonialen Perspektiven in der Kunst.
Die Universität für angewandte Kunst Wien ist anders. Hier geht es um Design, Architektur, Mode, Medienkunst. 24 Studiengänge, über 1.600 Studierende. Du lernst, wie man Objekte entwirft, die Menschen nutzen - aber auch, wie man mit Kunst gesellschaftliche Fragen aufwirft. Die meisten Studierenden loben die internationalen Austauschprogramme, aber kritisieren die Bürokratie und die knappen Praxisräume. Eine Studierende schrieb auf studieren.at: „Ich habe drei Monate auf einen Atelierraum gewartet.“
Die Universität für Musik und darstellende Kunst Wien ist die größte in Österreich. Über 3.000 Studierende, von Klassik bis Jazz, von Schauspiel bis Regie. Sie ist eng verbunden mit der Wiener Staatsoper und dem Konzerthaus. Wer hier studiert, lernt nicht nur Technik - er lernt, wie man auf einer Bühne existiert. Die Absolvent:innen finden schneller Arbeit als andere: 78 % sind innerhalb von zwei Jahren im kreativen Sektor beschäftigt.
Das Mozarteum Salzburg ist ein Tempel der klassischen Musik. Gründung 1841, Universität seit 1998. Hier wird Mozart nicht nur gespielt - er wird verstanden. Das Financial Times nannte es „eines der besten Ausbildungszentren für klassische Musikinterpretation weltweit“. 1.000 Studierende, fast alle in Musik. Die Salzburger Festspiele sind kein Nebeneffekt - sie sind Teil des Lehrplans. Wer hier studiert, tritt schon im ersten Jahr auf den gleichen Bühnen auf wie Profis.
Die Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung Linz ist die jüngste und digitalste. Geboren aus einer Druckerei, heute eine Hochschule für digitale Medien, Industriedesign und KI-gestützte Kreation. Im Oktober 2023 eröffnete sie den neuen Studiengang „Digital Art & Society“ mit Fokus auf Blockchain und NFTs. Sie ist eng mit dem Ars Electronica Festival verbunden - 100.000 Besucher im Jahr 2022. Hier lernst du, wie Kunst in der digitalen Welt funktioniert - nicht nur als Bild, sondern als System, als Code, als Interaktion.
Die Universität für Musik und darstellende Kunst Graz ist die einzige, die Musik, Schauspiel und Bühnenkunst unter einem Dach vereint. 1.200 Studierende, eine Atmosphäre, die intensiv und persönlich ist. Die Stadt Graz, mit ihrer Jazz Big Band und dem barocken Schlosstheater, ist kein Hintergrund - sie ist Teil des Unterrichts. 2022 gewann eine Studierende den Mozartwettbewerb in Bad Hall. Das ist kein Einzelfall. Hier wird Talent nicht nur gefördert - es wird sichtbar gemacht.
Wie du hineinkommst: Die Aufnahmetests
Ein Abitur reicht nicht. Du musst etwas zeigen. Nicht nur sagen, dass du künstlerisch bist - du musst es beweisen. Jede Kunstuniversität hat ihre eigene Zulassungsprüfung. Keine ist einfach. Keine ist fair. Aber sie ist real.
An der Akademie der bildenden Künste Wien musst du drei Tage lang zeichnen, malen, schreiben. Ein Motivationsschreiben, ein Portfolio, ein Live-Zeichentest. Es geht nicht um Perfektion - es geht um Haltung. Um deine innere Stimme.
An der Universität für angewandte Kunst Wien musst du ein Projekt vorstellen - etwas, das du selbst gebaut, gedacht, erfunden hast. Es kann eine Installation sein, eine Website, eine Modekollektion. Es muss dich zeigen. Nicht was du kannst - sondern wer du bist.
Bei Musik ist es noch härter. Du spielst ein Konzert vor drei Professoren. Kein Publikum. Nur sie. Und sie entscheiden, ob du weitermachen darfst. Keine Noten. Keine Punkte. Nur ein Blick. Ein Nicken. Oder ein Nein.
Die Abbruchquote liegt bei 35 %. Nicht weil du nicht talentiert bist. Sondern weil du nicht bereit bist. Du musst mehr als 50 Stunden pro Woche investieren. Du musst dich mit Kritik auseinandersetzen. Du musst dich fragen: Warum mache ich das? Und dann nochmal. Und nochmal.
Kosten, Stipendien und das Leben danach
EU-Bürger:innen zahlen 15,50 Euro pro Semester. Das ist kein Fehler. Das ist Absicht. Österreich will Kunst zugänglich machen. Nicht für Reiche. Für alle, die es können.
Nicht-EU-Bürger:innen zahlen zwischen 726 und 1.453 Euro pro Semester - je nach Uni. Das ist teuer, aber immer noch günstiger als in den USA oder Großbritannien.
Es gibt Stipendien. Das „Stipendium für künstlerische Studien“ des Bundeskanzleramts zahlt bis zu 1.000 Euro im Monat. 2022 haben 120 Studierende es bekommen. Aber die Anträge sind kompliziert. Du musst dein Werk erklären. Nicht nur zeigen. Erklären. Warum es wichtig ist. Warum du es machst.
Was kommt danach? 78 % der Absolvent:innen finden innerhalb von zwei Jahren eine Tätigkeit im kreativen Sektor. Das ist höher als der EU-Durchschnitt. Aber das bedeutet nicht, dass du reich wirst. Viele arbeiten nebenher. In der Gastronomie. In der Bildung. Als Freiberufler:innen. Eine Absolventin schrieb auf Studienwahl.at: „Nach fünf Jahren Studium arbeite ich im Café. Weil ich keine Ausstellung finden konnte.“
Die Realität ist: Kunst ist kein Beruf. Sie ist eine Lebensweise. Du musst dich selbst vermarkten. Du musst dich selbst finanzieren. Du musst dich selbst motivieren. Niemand wird dir einen Job geben. Du musst ihn machen.
Was sich gerade verändert: Digitalisierung und Internationalisierung
Die Kunstuniversitäten in Österreich verändern sich. Schnell. Und nicht immer freiwillig.
Im Mai 2023 hat das Bundesministerium 15 Millionen Euro für die Modernisierung der Studiengänge zugesagt. 55 % davon fließen in die Digitalisierung der Lehre. Das heißt: KI, Virtual Reality, digitale Werkzeuge werden jetzt Teil des Lehrplans - nicht als Zusatz, sondern als Grundlage.
Die internationale Student:innenzahl steigt. 2023 war sie um 22 % höher als im Vorjahr. Besonders aus Asien. Die Universität Graz hat neue Partnerschaften mit Universitäten in Seoul und Tokio aufgebaut. Die Akademie der bildenden Künste Wien hat eine eigene Abteilung für globale Kunstpraktiken eingerichtet.
Die Kritik bleibt: Die Infrastruktur ist veraltet. Die Räume sind zu klein. Die Betreuung zu dünn. Eine Umfrage an der Akademie Wien ergab: 52 % der Studierenden halten die Ausstattung für „veraltet“. Ein Professor in Linz sagte: „Wir haben VR-Brillen, aber keine Laptops für alle.“
Die Finanzierung ist nicht mit dem Wachstum Schritt gehalten. Ein Gutachten des Wissenschaftsrats spricht von einer Unterfinanzierung von mindestens 20 %. Das ist kein technisches Problem. Es ist ein politisches. Kunst wird als wichtig erkannt - aber nicht als priorisiert.
Was du wirklich brauchst, um hier zu überleben
Du brauchst nicht nur Talent. Du brauchst Ausdauer. Du brauchst Selbstvertrauen. Du brauchst eine starke innere Stimme.
Du brauchst ein Netzwerk. Die meisten Erfolgsgeschichten beginnen nicht mit einer Ausstellung - sondern mit einem Gespräch. Mit einem Dozenten. Mit einem Mitstudierenden. Mit einem Festivalbesuch. In Graz. In Linz. In Wien.
Du brauchst einen Plan B. Nicht als Ausrede. Sondern als Sicherheit. Ein Nebenjob. Eine Ausbildung. Eine andere Leidenschaft. Denn Kunst ist kein Job. Sie ist ein Weg. Und manchmal ist der Weg lang. Und manchmal ist er einsam.
Du musst lernen, mit Kritik umzugehen. Nicht mit Wut. Mit Nachdenken. Mit Veränderung. Die Dozenten sind nicht deine Feinde. Sie sind deine Spiegel. Sie zeigen dir, was du noch nicht siehst.
Du musst lernen, dich selbst zu finden. Nicht das, was andere von dir erwarten. Sondern das, was du wirklich sagen willst. In Farbe. In Ton. In Bewegung. In Code.
Und du musst bereit sein, nicht immer erfolgreich zu sein. Weil Kunst nicht darum geht, zu gewinnen. Sondern darum, zu zeigen. Zu existieren. Zu bleiben.
Wie hoch sind die Studiengebühren an österreichischen Kunstuniversitäten?
EU-Bürger:innen zahlen nur 15,50 Euro Semesterbeitrag. Für Nicht-EU-Bürger:innen liegen die Gebühren zwischen 726,72 Euro und 1.453,70 Euro pro Semester, je nach Universität. Das ist deutlich günstiger als in vielen anderen europäischen Ländern.
Welche Voraussetzungen brauche ich für das Kunststudium?
Ein Abitur reicht nicht. Du musst einen praktischen Aufnahmetest bestehen - mit Portfolio, Live-Arbeit oder Musikvortrag. Es geht nicht um perfekte Technik, sondern um deine künstlerische Haltung, deine Ideen und deine Motivation. Außerdem musst du psychisch und physisch belastbar sein: 68 % der Studierenden arbeiten mehr als 50 Stunden pro Woche.
Gibt es Stipendien für Kunststudierende in Österreich?
Ja. Das wichtigste ist das „Stipendium für künstlerische Studien“ des Bundeskanzleramts - bis zu 1.000 Euro pro Monat. 2022 haben 120 Studierende es erhalten. Es ist konkurrenzintensiv und erfordert eine detaillierte Begründung deiner künstlerischen Arbeit.
Wie ist die Jobaussicht nach dem Kunststudium?
78 % der Absolvent:innen finden innerhalb von zwei Jahren eine Tätigkeit im kreativen Sektor - über dem EU-Durchschnitt von 65 %. Aber viele arbeiten nebenher, um zu überleben. Künstlerische Selbstständigkeit ist schwer finanzierbar. Erfolg hängt oft von Netzwerken, Ausstellungen und eigener Initiative ab.
Warum ist die Abbruchquote so hoch?
Die Abbruchquote liegt bei 35 %. Das liegt an der hohen Belastung: intensive Prüfungen, wenig Betreuung, begrenzte Räume und der Druck, sich ständig zu beweisen. Viele überfordern sich, weil sie glauben, sie müssten perfekt sein. Aber Kunst ist kein Wettbewerb - sie ist ein Prozess.
Welche Kunstuniversität ist die beste für digitale Kunst?
Die Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung Linz ist führend in digitaler Kunst. Sie hat 2023 den neuen Studiengang „Digital Art & Society“ mit Fokus auf KI, Blockchain und NFTs gestartet und ist eng mit dem Ars Electronica Festival verbunden. Auch die Universität für angewandte Kunst Wien bietet starke digitale Schwerpunkte im Bereich Medienkunst.
Was kommt als Nächstes?
Wenn du dich für eine Kunstuniversität entscheidest, dann tue es nicht, weil du denkst, du müsstest es tun. Tue es, weil du nicht anders kannst. Weil du etwas sagen musst. Weil du etwas sehen willst. Weil du nicht aufhören kannst, zu experimentieren, zu malen, zu komponieren, zu bauen, zu schreiben.
Die Kunstuniversitäten in Österreich sind kein Ticket zum Erfolg. Sie sind ein Raum - ein Raum, der dich herausfordert. Der dich verändert. Der dich vielleicht auch zerbricht. Aber wenn du durchkommst - dann wirst du nicht nur Künstler:in sein. Du wirst dich selbst gefunden haben.