Nachhaltigkeitsziele der UN in der österreichischen Schulbildung: Wie Schüler:innen die Zukunft gestalten

Was haben Schulen in Österreich mit den globalen Zielen der Vereinten Nationen zu tun?

Die 17 Nachhaltigkeitsziele der UN, auch bekannt als SDGs, sind kein abstraktes Dokument aus Genf. Sie sind Teil des Alltags in österreichischen Klassenzimmern. Seit 2015 haben Schulen hierzulande die Aufgabe, Schüler:innen nicht nur Lesen, Schreiben und Rechnen beizubringen, sondern auch die Fähigkeit, die Welt aktiv und verantwortungsvoll zu gestalten. Das bedeutet: Kinder und Jugendliche lernen, wie man Ressourcen spart, wie man gegen Ungerechtigkeit aufsteht und warum Klimaschutz keine Zukunftsvision, sondern eine tägliche Entscheidung ist.

Die wichtigste Grundlage dafür ist Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE). Kein Nebenfach, kein einmaliger Projekttag - sondern ein Prinzip, das durch alle Fächer zieht. Ob in Biologie, Sozialkunde, Kunst oder Mathematik: Die SDGs tauchen auf. Ein Beispiel: In der 4. Klasse rechnen Schüler:innen aus, wie viel CO₂ sie durch Fahrradfahren statt Auto fahren sparen. In Geschichte wird diskutiert, warum Kinder in anderen Ländern nicht zur Schule gehen können. In Musik wird ein Lied über Plastikmüll im Meer komponiert. Es geht nicht um das Auswendiglernen von Zielen, sondern um das Verstehen, wie das eigene Handeln die Welt verändert.

ÖKOLOG: Das längste und erfolgreichste Schulprogramm Österreichs

Seit 1995 läuft das ÖKOLOG-Schulprogramm - und es ist das Herzstück der nachhaltigen Bildung in Österreich. Über 500 Schulen, von Volksschulen bis zu Gymnasien, haben sich verpflichtet, Nachhaltigkeit nicht nur im Unterricht, sondern auch im Schulalltag zu leben. Das bedeutet: Schulen haben eigene Umweltteams, die sich um Mülltrennung, Energiesparen oder den Schulgarten kümmern. Lehrer:innen erhalten Fortbildungen, um BNE-methodisch richtig umzusetzen. Und die Schüler:innen bekommen die Möglichkeit, Projekte selbst zu initiieren - wie etwa eine Schulbäckerei mit regionalen Zutaten oder eine Kampagne gegen Einwegplastik in der Cafeteria.

Die Zahlen sprechen für sich: Schulen, die mindestens fünf Jahre am ÖKOLOG-Programm teilnehmen, verbringen durchschnittlich 14,3 Stunden pro Jahr mit nachhaltigkeitsbezogenen Themen im Unterricht. Vergleichsschulen ohne das Programm kommen auf gerade mal 6,7 Stunden. Noch beeindruckender: 78 % der Schüler:innen in ÖKOLOG-Schulen beteiligen sich aktiv an Umweltprojekten - in anderen Schulen sind es nur 42 %. Das ist kein Zufall. Es ist das Ergebnis eines Systems, das echte Mitbestimmung und Verantwortung fördert.

SDG 4.7: Mehr als nur Bildung - eine neue Art zu denken

Das vierte Nachhaltigkeitsziel der UN lautet: "Inklusive, gerechte und hochwertige Bildung gewährleisten". Aber es gibt noch ein zweites, oft übersehenes Teilziel: SDG 4.7. Hier geht es nicht um Noten, sondern um Haltung. Es verlangt, dass alle Lernenden bis 2030 Kenntnisse und Fähigkeiten erwerben, um für eine nachhaltige Entwicklung zu handeln. Dazu gehören: Menschenrechte, Geschlechtergleichstellung, Klimaschutz, globale Verantwortung und kulturelle Vielfalt.

Das ist kein Wunschzettel. Es ist ein Bildungsstandard. In Österreich wird das konkret umgesetzt. In der politischen Bildung lernen Jugendliche, wie Demokratie funktioniert - und warum sie sie verteidigen müssen. In der Gesundheitsbildung geht es nicht nur um Ernährung, sondern um soziale Gerechtigkeit: Warum haben manche Kinder keinen Zugang zu frischem Obst? In der Schule wird nicht nur über die Welt gesprochen, sondern die Schule selbst wird zu einem Modell dafür, wie eine gerechte und nachhaltige Gesellschaft aussehen könnte.

Schüler:innen pflegen einen Schulgarten mit Gemüse, Kompost und Solaranlagen im Hintergrund.

Die Plattform, die Lehrer:innen unterstützt: Bildung2030.at

Lehrer:innen brauchen keine Theorie, sondern konkrete Werkzeuge. Hier kommt Bildung2030.at ins Spiel. Diese kostenlose Online-Plattform, gefördert vom Bundesministerium für Klimaschutz und der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit, bietet mehr als 18 Stundenbildungen, Unterrichtsmaterialien und Projektideen - alle direkt an den 17 SDGs ausgerichtet. Ein Beispiel: Ein Materialpaket für die 1.-4. Schulstufe erklärt die Ziele mit Bildern, Geschichten und einfachen Aufgaben. Kinder malen ihre eigene "Welt der Zukunft" oder basteln aus alten Flaschen Blumentöpfe.

Die Plattform ist kein statisches Archiv. Sie wird kontinuierlich aktualisiert, mit Beispielen aus echten Schulen, mit Videos von Schüler:innen, die ihre Projekte präsentieren, und mit Anleitungen für Lehrer:innen, die noch nie etwas zu Nachhaltigkeit unterrichtet haben. Es ist eine Gemeinschaft - und jeder kann mitmachen. Ob in Wien, Graz oder im ländlichen Burgenland: Die Ressourcen sind gleich zugänglich. Das macht Bildung für nachhaltige Entwicklung in Österreich so stark: Sie ist nicht abhängig vom Zufall, sondern systematisch und flächendeckend.

Der Preis, der gute Projekte sichtbar macht

Was zählt, sind nicht nur Pläne, sondern Taten. Deshalb vergibt das Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus gemeinsam mit dem FORUM Umweltbildung jährlich den Preis "Bildung für nachhaltige Entwicklung - BEST OF AUSTRIA". Schulen, Jugendgruppen oder Bildungseinrichtungen können Projekte einreichen - egal ob eine Schüler:innen-Initiative, die eine Schule klimaneutral macht, oder ein Projekt, das Flüchtlingskinder mit heimischen Kindern durch gemeinsames Gärtnern verbindet.

Die Gewinner:innen werden nicht nur ausgezeichnet, sie werden zum Vorbild. Ihre Projekte werden auf Bildung2030.at veröffentlicht, in Schulen anderer Bundesländer vorgestellt und oft sogar von der UNESCO als Best Practice anerkannt. Das gibt Motivation. Es zeigt: Was du in deiner Klasse machst, kann landesweit wirken. Und es schafft einen Wettbewerb, der nicht um Noten geht, sondern um Wirkung.

Ein Schulgebäude verwandelt sich in einen Baum aus SDG-Symbolen, während Schüler:innen in den Fenstern Projekte durchführen.

Was passiert bis 2030? Die große Vision

Österreich hat sich klar verpflichtet: Bis 2030 soll jedes Schulgebäude ein "Nachhaltigkeitsprofil" haben. Das heißt: Jede Schule muss dokumentieren, wie sie die SDGs in ihren Unterricht, ihre Schulorganisation und ihre Schulkultur integriert. Dazu gehören konkrete Maßnahmen - wie der Einsatz von Ökostrom, die Einführung von veganen Mittagessen, die Einbindung von Eltern in Umweltprojekte oder die Schulung aller Lehrer:innen in BNE.

Und das ist kein Ziel, das irgendwann erreicht wird. Es ist ein Prozess. Seit 2022 läuft die "Nationale Bildungsstrategie 2030", die genau das vorantreibt: Bildung als Querschnittsaufgabe, nicht als Randthema. Bis 2025 sollen alle Lehrkräfte in Österreich in Bildung für nachhaltige Entwicklung fortgebildet sein. Das ist kein kleiner Schritt - das ist eine Revolution im Bildungswesen. Denn es geht nicht darum, neue Fächer einzuführen, sondern darum, die ganze Bildung neu zu denken: nicht als Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt, sondern als Vorbereitung auf das Leben in einer Welt, die sich verändert.

Warum das alles so wichtig ist

Die UN-Ziele sind nicht nur für Regierungen da. Sie sind für uns alle. Und Kinder sind keine Zukunft - sie sind jetzt. Sie erleben Klimawandel, soziale Ungleichheit, politische Spaltung. Wenn Schulen sie nur mit Fakten versorgen, ohne ihnen Werkzeuge an die Hand zu geben, um damit umzugehen, versagen wir ihnen.

Österreich zeigt: Es geht. Es geht mit klaren Programmen, mit guter Infrastruktur, mit Mut, alte Strukturen zu hinterfragen. Es geht mit Lehrer:innen, die sich weiterbilden, mit Schülern, die sich engagieren, mit Schulen, die sich verändern. Es ist kein perfektes System - aber es ist eines, das funktioniert. Und es ist das einzige System, das uns noch retten kann.