Teleskop-Okular 20 mm vs 10 mm: Welche Brennweite passt besser?

Die Frage klingt simpel, entscheidet draußen aber oft über „Wow!“ oder „meh“: Sind 20 mm oder 10 mm besser am Teleskop? Die kurze Antwort: Es hängt von deinem Teleskop, dem Himmel, und deinem Ziel ab. Planeten und Mond? Eher 10 mm. Übersicht und viele Deep-Sky-Objekte? Meist 20 mm. Ich wohne in Graz und kenne die Realität zentral-europäischer Nächte: Seeing schwankt, Lichtglocke ist da, Geduld zahlt sich aus. Hier bekommst du eine klare Entscheidungshilfe, Formeln, Beispiele mit typischen Teleskopen und einen ehrlichen Einkaufs-Fahrplan.

  • 20 mm vs 10 mm Okular ist kein „besser“ oder „schlechter“, sondern „wofür“: 20 mm für Übersicht/Deep-Sky, 10 mm für Details an Mond/Planeten.
  • Rechne zuerst: Vergrößerung = Teleskopbrennweite / Okularbrennweite. Austrittspupille = Okularbrennweite / Öffnungsverhältnis (f/).
  • Heuristik: 4-6 mm Austrittspupille = weit & hell (Starhopping, offene Haufen); 2-3 mm = Allround (Nebel, Galaxien); 0,5-1 mm = Detail (Planeten, Mond).
  • In Mitteleuropa tragen Nächte oft 120-200× (je nach Öffnung und Seeing). Eine 10 mm-Brennweite erreicht das häufig, 20 mm liefert entspanntes Mittelmaß.
  • Brille? Dann bringt ein 10 mm-Plössl oft zu wenig Augenabstand. Lösung: Okular mit „Long Eye Relief“ oder 2×-Barlow + 20 mm.

So triffst du die Wahl: Schritt-für-Schritt mit einfachen Formeln

Wenn du in drei Minuten sicher entscheiden willst, folge diesem Ablauf. Du brauchst Öffnung, Brennweite und f/ deines Teleskops (z.B. steht auf dem Tubus: 150/750, also 150 mm Öffnung, 750 mm Brennweite, f/5).

  1. Ziel klären: Willst du heute Übersicht und Deep-Sky (Nebel, Galaxien, Haufen) oder Details (Jupiterbänder, Saturnringe, Mondkrater)?

  2. Vergrößerung grob bestimmen: Formel: V = Teleskopbrennweite / Okularbrennweite. Beispiel f/5 Newton 150/750: 20 mm → 37,5×; 10 mm → 75×.

  3. Austrittspupille prüfen: E = Okularbrennweite / f/. Gleicher Newton: 20 mm/5 = 4 mm; 10 mm/5 = 2 mm. Das sagt viel über Helligkeit und Kontrast am Auge.

  4. Seeing einbeziehen: In Österreich sind 1,5-3 Bogensekunden üblich. Das limitiert sinnvolle Vergrößerung. Als Daumenregel: „Maximal brauchbare Vergrößerung ≈ 2× Öffnung in mm“ (RASC Observer’s Handbook 2025). Häufig liefert etwa 1×/mm die besten Details mit Kontrast. Ein 200-mm-Dobson bringt also oft 150-200× sauber, 300-400× nur selten.

  5. Himmelshintergrund bedenken: Unter Stadthimmel (Graz ~Bortle 6-7) ist eine riesige Austrittspupille kontraproduktiv, der Hintergrund wird milchig. 20 mm an f/5 (4 mm Pupille) ist gut. 30-32 mm (6-6,4 mm Pupille) kann bei Lichtglocke zu hell wirken.

  6. Augen/Brille checken: Trägst du Brille (Astigmatismus)? Dann brauchst du 16-20 mm Augenabstand. Klassische 10 mm-Plössl haben oft nur ~7-8 mm. Lösung: „Long Eye Relief“-Okulare (z.B. 10-12 mm mit 16-20 mm Eye Relief) oder 2×-Barlow + 20 mm (du behältst den größeren Augenabstand).

Entscheidungsregel in einem Satz: Für Allround und Deep-Sky beginne mit 20 mm; für Planeten/Mond nimm 10-12 mm - aber nur, wenn Seeing mitspielt und der Augenabstand für dich passt.

Praxis-Hinweis: Nimm eine 2×-Barlow dazu. So wird dein 20 mm im Handumdrehen zum „10 mm“, behält aber den bequemen Augenabstand des 20ers. Viele Hersteller betonen genau diesen Vorteil in ihren technischen Notizen (z.B. Tele Vue Tech Notes zum Augenabstand von Plössl-Okularen: Augenabstand ~70% der Brennweite).

Konkrete Beispiele: So wirken 20 mm und 10 mm an gängigen Teleskopen

Hier siehst du realistische Zahlen für beliebte Einsteigergeräte. Als scheinbares Gesichtsfeld (AFOV) nehme ich 50° für ein Plössl. Die wahre Himmelsausschnittsbreite (TFOV) ist näherungsweise AFOV / Vergrößerung. Die Austrittspupille E ist Okularbrennweite / f/.

TeleskopÖffn./Brennw./f/V@20 mmE@20 mmTFOV 50°@20V@10 mmE@10 mmTFOV 50°@10
Newton 150/750150 mm / 750 mm / f/537,5×4,0 mm≈1,33°75×2,0 mm≈0,67°
Dobson 200/1200200 mm / 1200 mm / f/660×3,3 mm≈0,83°120×1,7 mm≈0,42°
Maksutov 127/1500127 mm / 1500 mm / f/11,875×1,7 mm≈0,67°150×0,85 mm≈0,33°
Newton 114/900114 mm / 900 mm / f/7,945×2,5 mm≈1,11°90×1,3 mm≈0,56°
Refraktor 80/60080 mm / 600 mm / f/7,530×2,7 mm≈1,67°60×1,3 mm≈0,83°

Was bedeutet das konkret?

  • 150/750 Newton: 20 mm liefert einen angenehmen Überblick für Deep-Sky-Aufsuche, 10 mm zeigt bei guter Luft erstaunliche Planetendetails. Unter Stadthimmel in Graz ist 2 mm Austrittspupille (10 mm) oft ideal für Nebel mit Filter (UHC/OIII).
  • 200/1200 Dobson: 20 mm (60×) ist Allround. 10 mm (120×) ist Planetensweet-Spot an vielen Nächten. Wenn das Seeing ruhig ist, kannst du mit Barlow oder 6-8 mm die Details noch mehr rauskitzeln.
  • 127/1500 Mak: Dieser Typ liebt hohe Vergrößerungen. 20 mm ist schon „mittelhoch“, 10 mm trifft oft genau den Punkt für Planeten (0,85 mm Pupille). Für Übersicht brauchst du eher 24-32 mm, nicht 20 mm vs. 10 mm.
  • 114/900 Newton: 20 mm ist sehr vielseitig. 10 mm ist gut für Mond und helle Planeten, ohne zu anspruchsvoll beim Seeing zu sein.
  • 80/600 Refraktor: 20 mm für weite Felder (offene Haufen, Milchstraßenfelder), 10 mm für planetare Nebel und Mondkrater. Ein 2-3° Gesichtsfeld erreichst du mit 32-40 mm Weitwinkel, nicht mit 20 mm/10 mm.

Pro-Tipp: Nutze auch das scheinbare Gesichtsfeld (AFOV) deines Okulars. Ein 68°-Okular wirkt bei gleicher Vergrößerung wesentlich „weiter“ als ein 50°-Plössl. Das ändert nicht die Vergrößerung, aber den Komfort beim Finden und Verfolgen von Objekten.

Was der Himmel und deine Augen mitreden: Seeing, Pupille, Augenabstand

Was der Himmel und deine Augen mitreden: Seeing, Pupille, Augenabstand

Selbst das beste Okular macht aus einem schwankenden Bild kein scharfes. In Mitteleuropa liegt das Seeing an vielen Nächten zwischen 1,5″ und 3″. Das begrenzt, wie fein du vergrößern kannst, ehe Details nur größer, aber nicht schärfer werden. Der RASC Observer’s Handbook 2025 nennt etwa 2× Öffnung in mm als obere sinnvolle Grenze, mit oft besten Details um 1×/mm. Ein 150-mm-Teleskop fühlt sich also bei 150× häufig am wohlsten, 300× nur selten.

Austrittspupille und deine Augen: Deine Pupille bestimmt, wie viel Licht effektiv ins Auge kommt. Junge Augen schaffen bis ~7 mm, viele Erwachsene 4-5 mm (Baader/Tele Vue technische Hinweise und klassische Optikliteratur decken sich hier). Bedeutet:

  • Sehr große Austrittspupille (5-7 mm): toll unter dunklem Landhimmel, unter Stadtlicht wird der Himmelshintergrund zu hell.
  • Mittlere Pupille (2-3 mm): der „Sweet Spot“ für viele Deep-Sky-Objekte. Guter Kompromiss aus Helligkeit und Kontrast.
  • Kleine Pupille (0,5-1 mm): maximale Details, aber dunkleres Bild. Perfekt für Planeten/Mond, wenn die Luft steht.

Brille und Augenabstand: Wenn du Astigmatismus hast, brauchst du oft die Brille am Okular. Dann hilft dir ein kurzes Plössl (10 mm mit ~7-8 mm Eye Relief) wenig. Abhilfe:

  • Okulare mit „Long Eye Relief“ (z.B. 10-12 mm mit 16-20 mm Augenabstand, vielfach von Herstellern so spezifiziert).
  • 2×-Barlow + 20 mm: Du behältst den Augenabstand des 20ers, erhältst aber die Vergrößerung eines 10ers. Tele Vue und andere weisen genau darauf als Vorteil hin.

Floaters und sehr kleine Pupille: Bei 0,5-0,7 mm Austrittspupille können Glaskörpertrübungen (Floaters) stören. Wenn dich „schwimmende Schatten“ nerven: etwas weniger Vergrößerung wählen (größere Pupille), der Kontrastverlust wird oft durch mehr Sehkraft des Auges ausgeglichen.

Lichtverschmutzung in und um Graz: In der Stadt (Bortle 6-7) performen 2-3 mm Austrittspupille gut, also 10-15 mm an f/5-f/6. Am Schöckl oder Richtung Südsteiermark kann 20-24 mm richtig aufblühen. UHC-/OIII-Filter helfen bei Emissionsnebeln enorm (ÖAV-Leitfäden und VdS-Optikgrundlagen empfehlen das konsistent).

Kaufen, kombinieren, anwenden: dein Minimal-Set, Checklisten, FAQ und nächste Schritte

Du willst nicht 8 Okulare. Musst du auch nicht. Mit einem schlauen Trio deckst du 90% ab.

Minimal-Set, das funktioniert:

  • Weitfeld: 30-32 mm (für Suche, große Haufen; unter Stadtlicht optional).
  • Allround: 18-20 mm (Nebel, Galaxien, Starhopping). Das ist dein Arbeitstier.
  • Detail: 10-12 mm (Planeten, Mond, kleine planetarische Nebel).
  • + 2×-Barlow: Verdoppelt die Optionen, ohne den Augenabstand der langen Okulare zu ruinieren.

Wenn du nur eines nimmst (heute): nimm 20 mm. Es ist verzeihend, bequem und vielseitig. Für Planetenabende ergänzt du später 10-12 mm oder setzt eine 2×-Barlow ein.

Entscheidungs-Checkliste vor dem Kauf:

  • Dein Teleskop: Öffnung, Brennweite, f/?
  • Dein Himmel: Stadt (Bortle 6-7) oder Land (Bortle 3-4)?
  • Deine Ziele: Planeten/Mond vs. Deep-Sky?
  • Deine Augen: Brille? Astigmatismus? Benötigter Augenabstand ≥16 mm?
  • Komfort: Bevorzugst du großes scheinbares Feld (68-82°) oder stört dich 50° nicht?
  • Budget: Lieber zwei gute Allrounder + Barlow statt fünf Kompromisse.

Typische Fehler vermeiden:

  • Zu kurze Brennweiten bei schlechtem Seeing. Ergebnis: groß, aber matschig.
  • Zu große Austrittspupille unter Stadtlicht. Ergebnis: grauer Hintergrund, wenig Kontrast.
  • 10 mm-Plössl mit Brille. Ergebnis: du kommst nicht nah genug ans Okular, Feld vignettieren.
  • Vergessen, dass Justage (Kollimation) und Abkühlzeit mehr bringen als „noch ein Okular“.

Mini-FAQ

Ist 10 mm immer besser für Planeten? Häufig ja, aber nur, wenn Seeing und Teleskop mitspielen. Manchmal liefert 12-14 mm das schärfere Bild, weil weniger Luftunruhe sichtbar wird.

Reicht ein 20 mm für alles? Für Einstieg und Deep-Sky-Übersicht absolut brauchbar. Für Planeten willst du aber irgendwann 10-12 mm oder eine 2×-Barlow.

Ist ein 68°-Okular den Aufpreis wert? Komfort und Feldgewinn sind real. Beim Aufsuchen erspart dir ein breites Feld Zeit. Bei Planeten zählt eher Schärfe/Transparenz als Feldbreite.

Plössl oder „Long Eye Relief“? Trägst du Brille oder magst Komfort, nimm „Long Eye Relief“. Ohne Brille, knappes Budget: Plössl sind optisch solide, aber unter 12 mm werden sie unbequem.

Was ist mit Zoom-Okularen? Praktisch zum Testen der „Sweet-Spot“-Vergrößerung. Gute Zooms sind flexibel, aber selten so transparent wie Top-Festbrennweiten.

Nächste Schritte

  1. Rechne deine Zahlen (V, E) für 20 mm und 10 mm anhand deiner f/-Zahl.
  2. Teste am Himmel: Starte mit 20 mm, beobachte ein paar Objekte, dann wechsle auf 10-12 mm und bewerte Details und Kontrast.
  3. Notiere Seeing und Eindruck: klar, schwankend, weich? So findest du deine praxisnahe Maximalvergrößerung.
  4. Entscheide den Zukauf: Fehlt dir Allround (18-20 mm) oder Detail (10-12 mm mit gutem Eye Relief)? Ergänze gezielt, plus 2×-Barlow.

Troubleshooting

  • Bild wird bei 10 mm nicht schärfer als bei 20 mm: Seeing limitiert. Geh eine Stufe „länger“ (12-14 mm), warte auf ruhige Momente. Kollimierung prüfen.
  • Himmel zu hell bei 20 mm: Unter Stadtlicht kleinere Pupille wählen (z.B. 15 mm) oder UHC-/OIII-Filter für Emissionsnebel nutzen.
  • Blackouts/Kidney-Beaning: Bei sehr weiten Okularen Augenposition anpassen, Augenmuschel nutzen, ggf. geringere Pupille wählen.
  • Mit Brille siehst du das Feld nicht komplett: Long-Eye-Relief-Okular oder Barlow + längere Brennweite verwenden.
  • Starhopping fällt schwer: Größeres AFOV (68-82°) oder 20-24 mm als Suchokular einsetzen, Sucher justieren.

Wichtige Quellen, auf die sich die Empfehlungen stützen: RASC Observer’s Handbook 2025 (Richtwerte zu nutzbarer Vergrößerung), Tele Vue Optics Technical Notes (Augenabstand vs. Brennweite, Okulardesign), Baader Planetarium Fachtexte (Austrittspupille und Augenpupille), VdS-Fachgruppe Optik-Grundlagen (Seeing, Vergrößerung), ÖAV Praxisleitfäden (Beobachtung unter mitteleuropäischen Bedingungen). Ich beziehe mich hier auf die grundlegenden, seit Jahren stabilen Empfehlungen - nicht auf Marketing.

Fazit? Unter unserem Himmel hier: 20 mm ist dein entspanntes Brot-und-Butter-Okular. 10 mm ist dein Scharfsteller für Nächte mit guter Luft. Mit einer 2×-Barlow kombinierst du beide Welten smart. Und wenn du einmal die eigene „Sweet-Spot“-Vergrößerung gefunden hast, spielt die Frage „20 oder 10?“ nur noch die zweite Geige.